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030 - Die zweite Realität

030 - Die zweite Realität

Titel: 030 - Die zweite Realität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael J. Parrish
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passiert? Ich meine, welche Rolle spielten wir darin?« Matt schaute seinem Freund ins Gesicht - und von einem Augenblick zum anderen verschwand die Heiterkeit, die er eben noch empfunden hatte. »Das wollt ihr nicht wissen«, sagte er bestimmt. »Och, komm schon«, bettelte Jenny.
    »Nun rück schon raus damit…« Matt schüttelte den Kopf und schwieg beharrlich.
    ***
    Was sollte er ihnen auch sagen? Dass Irvin ehester in geistiger Umnachtung, zu einem Muskelprotz mutiert, gestorben war? Dass sich Hank Williams ge- opfert hatte, um ihn und Aruula zu retten? Dass Jenny Jensen ihr Gedächtnis verloren hatte und in Berlin zur Herrscherin eines Amazonenstammes geworden war? Dass sie miteinander geschlafen hatten?*
    Nein. All diese Dinge würden niemals über seine Lippen kommen, das schwor er sich in diesem Augenblick - und erschrak fast darüber, dass er begann, sie allmählich selbst als Traum zu betrachten. Als etwas, das weit hinter ihm lag, fernab der wirklichen Welt. »Ach, lass mal«, meinte Hank und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich weiß ohnehin, was du geträumt hast - du hast die gute Jenny vernascht und bist dafür von Big Boy und mir ordentlich verprügelt worden.«
    »Du… du Mann!«, fuhr Jenny auf - und erneut erntete Hank einen harten Stoß. Matt erwiderte nichts darauf - er war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Noch vor ein paar Stunden hätte er Stein und Bein geschworen, dass er nicht geträumt hatte, dass das, was er die letzten Monate erlebt hatte, die Wirklichkeit gewesen war. Nun aber keimten erste Zweifel in ihm auf. Seine Freunde Hank, Jenny und Irvin - er war so glücklich darüber, sie wohlbehalten und lebend wieder zu sehen, dass er die Erinnerung an die andere Welt nur zu gerne verdrängte. Er hatte Williams und ehester sterben sehen, hatte um sie getrauert - und nun standen sie wieder vor ihm, leibhaftig und unversehrt. Es war wie ein Geschenk, das ihm das Schicksal machte, und alles in ihm drängte ihn dazu, es anzunehmen. Noch vor ein paar Tagen hätte er alles dafür gegeben, die drei Freunde wieder an seiner Seite zu wissen - nun hatte er die Chance dazu. Alles was er tun brauchte, war, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Zu akzeptieren, was der Arzt sagte. Dass alles nur ein Traum gewesen war. Ein sehr realistischer Traum - aber nichtsdestotrotz ein Traum. Die Besuchszeit war um. Die Kameraden verabschiedeten sich und ließen Matt wieder alleine in seinem Zimmer.
    Er brauchte Zeit zum Nachdenken.
    ***
    Zwei Tage später durfte Matt zum ersten Mal sein Krankenzimmer verlassen.
    Der Pfleger, der wie Pieroo aussah (und der, wie Matt inzwischen erfahren hatte, während des langen Komas seine Muskeln trainiert hatte), stand plötzlich mit einem Rollstuhl vor dem Bett. Obwohl Matt energisch protestierte, dass er bereits wieder gehen könne, bestand der Pfleger darauf, dass er sich in das Gefährt setzte. Mit gemischten Gefühlen rollte Matt aus dem Krankenzimmer hinaus auf den Gang. Draußen herrschte Betriebsamkeit. Männer und Frauen in zivil und in Uniform bevölkerten die Gänge, Krankenhauspersonal huschte geschäftig umher. Niemand schien Matt besonders zu beachten - auf dem Korridor eines Krankenhauses war ein Mann im Rollstuhl kein ungewöhnlicher Anblick.
    Die Leute konnten ja nicht wissen, welche bewegte Vergangenheit Matthew Drax mit sich herumschleppte. In Matts Kopf herrschte Verwirrung. Noch immer war er sich nicht sicher, was er von all dem halten sollte - doch ohne dass er es bewusst wahrgenommen hätte, begann er sich mehr und mehr in dieser Welt heimisch zu fühlen. Irgendwie hatte er es die ganze Zeit gewusst: Diese zerstörte Welt mit ihrer entarteten Flora und Fauna, ihren Mutanten und Monstern konnte nur ein Albtraum gewesen sein. Und Aruula… ? Matt war sich nicht sicher. Noch immer ließ ihn der Gedanke an die Barbarin, die so lange Zeit seine Gefährtin gewesen und von der er kurz vor der Überfahrt nach Meeraka getrennt worden war, wehmütig werden. Traurig dachte er an sie zurück. Auch wenn alles andere, was er erlebt hatte, ein Traum gewesen sein mochte - Aruula war real gewesen. Das hätte er vor jedem Gericht dieser Welt beschworen… Matt gab den Rädern seines Stuhls ei- nen Stoß und rollte auf das große Fenster zu, das den Gang auf einer Seite begrenzte. Ein weiter Ausblick bot sich ihm - auf das Gelände des Stützpunkts und die Rollfelder, die weiter hinten lagen, auf die Kampfjets, die aufgetankt und startbereit vor den Hangars

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