0469 - Tödlicher Flammengruß
überwinden. Unsere Psyche ist unwahrscheinlich stark. Manchmal ist das Unterbewußtsein mächtiger als wir selbst, das sollten Sie wissen.«
»Reden Sie nicht in der Theorie. Ich will wissen, was mit meinem Freund geschehen ist. Und auch mit all den anderen, die in den Flammen verschwunden sind.«
»Ach, davon wissen Sie?« fragte er erstaunt.
»Ja.«
»Dann sind Sie keine Verlagsvertreter?«
»Nein.«
Friday nickte. »Dariolo hatte recht gehabt, als er mich vor den Fremden warnte.«
»Wer ist Dariolo?«
»Mein Pseudonym oder mein zweites Ich. Der Bewohner des Hauses, vor dem wir stehen. Sie haben ihn sicherlich gesehen, als das Feuer aus seiner Hand schoß.«
»Das habe ich.«
»Dann wissen Sie jetzt auch, wer er ist. Ich beherrsche das Feuer leider nicht, obwohl ich stets davon geträumt habe. Es ist schade, sehr, sehr schade. Doch ich habe einen Ausgleich bekommen. Mein zweites Ich kann das, von dem ich träume.«
»Es beherrscht also das Feuer?«
»Ja, so ist es. Wir sind miteinander verbunden. Wenn ich will, schicke ich es auf die Reise.«
»Wie in London?«
»Ja.« Er lächelte überheblich. »Das war erst der Anfang. Ich kann es auch in andere Städte schicken. Es gibt keine Grenzen. Wenn ich will, kann ich die Erde vernichten. Haben Sie gehört?«
Ich nickte.
»Und was wollen Sie dagegen tun?«
Mit dem Daumen deutete ich auf das Haus. »Wenn ich hineingehe, werde ich sicherlich eine Überraschung erleben, oder nicht?«
»Das kann ich Ihnen versprechen.«
»Und wie, bitte sehr, sieht diese Überraschung aus?«
Er legte die Stirn in Falten. »Wenn ich Ihnen das sage, wäre es keine Überraschung mehr. Ich habe nichts dagegen, wenn Sie das Haus betreten wollen. Sie sollen als einziger Mensch mein Geheimnis von Grund auf kennenlernen. Nicht einmal meine eigene Frau werde ich davon in Kenntnis setzen.«
Er gab sich sehr sicher, und ich dachte an all die Verschwundenen. Unter ihnen befanden sich zwei Freunde von mir. Jane Collins und Suko. Waren sie tot?
»Gehen Sie, Mister, gehen Sie.« Friday wedelte mit der Hand. »Ich kann Ihnen eine Überraschung versprechen.« Die Augen hinter den Gläsern der Brille begannen zu leuchten.
Ein wenig weich fühlte ich mich in den Knien, als ich mich drehte. Nach zwei Schritten war die Haustür schon zum Greifen nahe. Sie sah noch immer sehr verschlossen aus und kam mir vor wie ein matter schwarzer Spiegel.
Der Schriftsteller trat neben mich. »Zieren Sie sich nicht, Mr. Sinclair, öffnen Sie.«
»Sie war verschlossen.«
»Nicht mehr«, flüsterte er.
Ich vertraute ihm und legte meine flache Hand gegen die Türmitte. Ein leichter Druck meinerseits reichte, und die Tür schwang vor mir weit auf.
Herbert Friday war schneller als ich, huschte an mir vorbei und trat über die Schwelle.
Zwei Schritte dahinter erwartete er mich, breitete die Arme aus und rief mit lauter Stimme: »Willkommen in der Welt des Feuers, Mr. Sinclair…«
***
Ich war so überrascht, daß ich nicht einmal merkte, wie hinter mir die Tür ins Schloß fiel. Das Bild, das sich mir bot, hätte ich niemals erwartet.
Vor mir stand Friday. Er hatte die Arme ausgebreitet und wurde vom Widerschein der Kerzen getroffen, wobei das Licht auf seinem Körper ein Spiel aus Licht und Schatten hinterließ.
Sein Gesicht wurde ebenfalls nicht ausgespart. Obwohl es sich starr zeigte, schien es zu zerfließen, aber die Bewegungen waren nicht echt. Dafür aber meine, als ich vorging und so stehenblieb, daß ich in die Halle hineinschauen konnte.
Sie war lichterfüllt!
Da brannten Flammen ohne Dochte. Handlang schwebten sie über den Handläufen der zahlreichen Treppen, die aus allen Richtungen sich vereinigten und zu einem regelrechten Wirrwarr wurden. Die Flammen brannten ruhig. Sie zeigten in ihrem Innern einen dunklen Kern, als würde sich dort etwas abzeichnen, der äußere Rand schimmerte gelbrot.
»Sehen Sie die Treppen?« fragte mich der Autor flüsternd. »Sie sind sehr wichtig. Diese Treppen sind wie eine menschliche Seelenlandschaft. Auch dort geht es auf und ab. Das alles ist hier nachgebildet worden, und auf ihnen leuchtet das Feuer, das Dariolo beherrscht. Er ist der wahre Meister über die Flammen.«
»Wer hat ihm die Kraft gegeben? Der Teufel?«
»Vielleicht. Was weiß ich? Aber ist es nicht die menschliche Seele, die starke Kräfte besitzt. Ich habe sie erforscht, ich bin ein sensitiver Mensch, ein Medium, das es verstanden hat, in die Schächte seines eigenen Unterbewußtseins
Weitere Kostenlose Bücher