0469 - Tödlicher Flammengruß
in alle Richtungen weg. Wo es einmal gewesen war, sah ich nichts mehr, bis auf eine tiefe drückende Schwärze, die sich rasend schnell ausbreitete und auch uns überschwemmte.
Margret Friday und ich hatten das Gefühl, in einen Tunnel gerissen zu werden, der sich drehte, immer tiefer zog und plötzlich ausspie, als wäre irgend etwas geplatzt.
Das war genau der Zeitpunkt, als diese gedanklich entstandene und trotzdem reale Scheinwelt zusammenbrach. Sie hatte sich nur zwischen diesen Wänden aufgehalten, und sie war in sich zusammengesunken, ohne viel Spuren zu hinterlassen.
Ich rieb mir die Augen, weil ich es kaum fassen konnte, aber wir standen in einer völlig anderen Umgebung. In einem leeren hallenartigen Raum, in dem die Einrichtungsgegenstände fehlten, und wir waren nicht allein. Uns umgaben zahlreiche Menschen. Auch Suko und Jane sah ich.
Die ehemalige Hexe hatte auch mich entdeckt. Sie rannte auf mich zu, warf sich in meine Arme und sprach Sätze, die sie wohl selbst nicht begriff, aber sie bekam von mir keine Antwort, weil meine Kehle irgendwie zusaß.
Ich schaute über ihre Schulter hinweg, hörte das Reden der Geretteten und sah Suko, der die Menschen zur Seite schob, um freie Bahn zu haben.
Er kam zu mir. Bleich, fassungslos, wollte etwas sagen, aber seine Stimme versagte.
»Bring die Leute nach draußen!« flüsterte ich.
»Okay.«
Er nahm auch Jane mit. Es dauerte nicht lange, da standen Margret Friday und ich allein. Wir schauten uns um und auch an. Durch die Fenster drang genügend Licht. Wir konnten erkennen, daß wir allein waren.
Margret Friday setzte sich in Bewegung. Sie ging sehr langsam, steif, als hätte sie einen Stock verschluckt.
Dann beugte sie den Kopf vor, ich hörte sie schluchzen und wußte nicht, wie ich sie ansprechen sollte. Nach einer Weile drehte sie sich um und kam zu mir zurück.
»Wo ist Herbert?« fragte sie.
Ich hob die Schultern. »Verbrannt?«
»Es kann sein.«
Sie schaute mich an, schluckte und flüsterte dann: »Ich kam hinein, lief auf Sie zu und sah Ihre Hand. Davor stand eine Flamme. Im Feuer sah ich Herbert.«
»Ja, so war es…«
»Dann haben Sie zugedrückt!«
Mir brach der Schweiß aus, als ich die Worte vernahm. Sie enthielten nicht einmal einen Vorwurf, waren wie feststellend ausgesprochen worden. Das traf mich tief.
»Ich hatte keine andere Wahl«, erwiderte ich. »Sie wären sonst getötet worden und alle anderen auch. Ich mußte es tun.«
Margret schaute mich lange an. Dann sagte sie: »Ich habe meinen Mann in den letzten Monaten immer weniger verstanden. Er hat sich mit einem Gebiet beschäftigt, das schrecklich und noch nicht durchforscht ist. Er war der erste überhaupt, der so weit vordringen konnte. Ich merkte auch die Veränderung bei ihm. Manchmal hatte ich den Eindruck, daß er in einer anderen Welt lebt, die nur für ihn sichtbar war. Er hat mir etwas vom Unterbewußtsein erzählt. Er konnte es steuern, aber er selbst wurde dabei immer tiefer in den Sog mit hineingerissen. Jetzt ist er tot, Mr. Sinclair, und vielleicht ist es gut so. Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, ich verzeihe Ihnen.« Sie hob die Schultern und wandte sich ab.
Allein ging sie hinaus. Ich hörte ihre letzten Worte.
»Vielleicht muß ich mich sogar bei Ihnen bedanken…«
***
Als ich das Haus verließ, senkte sich die Dämmerung über das Land. Lange Schatten krochen über den Himmel, aber sie waren natürlich, nicht künstlich geschaffen. Die Nacht würde den Tag ablösen.
Jane und Suko hatten auf mich gewartet. Die anderen Menschen waren nach Lyme gelaufen. Sie wollten von dort aus telefonieren und über ihren Alptraum berichten.
Ich hoffte stark, daß sie es als einen Traum ansahen, begreifen würde es niemand können.
»Ich habe Glück gehabt«, sagte Jane. »Vielleicht bist du auch rechtzeitig genug gekommen, denn die andere Macht hatte mich unter Kontrolle. Sie hätte mich leicht töten können.«
»Man brauchte die Flamme nur zu löschen.«
»Und wie war so etwas möglich?« fragte Suko.
Ich holte tief Luft. »Ich glaube, die Antwort wird uns niemand mehr geben können. Dieser Herbert Friday hat nach Dingen geforscht, die man besser hätte ruhen lassen. Wem es gelingt, dem Unterbewußtsein fleischliches Leben einzuhauchen, muß damit rechnen, daß diese Geister ihn gnadenlos vernichten. Man soll bestimmte Grenzen einhalten, auch als Forscher. Das ist jedenfalls meine Ansicht…«
Jane und Suko nickten mir zu.
Zu dritt schritten wir die Treppe
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