0694 - Lavalles Todesspur
werden.
Schreiend fiel er zurück!
***
Den Schock hatte Jane Collins überwunden, aber nicht die Erinnerung an den Überfall, denn als etwas anderes konnte sie diese Begegnung beim besten Willen nicht bezeichnen.
Sie steuerte den Golf in die schmale Parklücke vor dem Haus der Sarah Goldwyn, stieg aus, schloß die Tür und sah, daß die Horror-Oma an der Haustür erschien.
Auch in Mayfair hatte sich der neblige Dunst ausgebreitet und strömte wie dünne Tuchbahnen über Straßen, Gehsteige und kroch zudem an den Hauswänden hoch.
Jane winkte der Horror-Oma zu.
»Soll ich dir tragen helfen?« rief die zurück.
»Nein, nein, Sarah. Bitte, komm, ich möchte dir etwas zeigen. Man erlebt immer wieder Überraschungen.«
Die Horror-Oma hob die Schultern und löste sich von der Haustür. Für ihr Alter war sie noch sehr rüstig. Jedenfalls hatte sie einige Männer überlebt, sie war mehrfach Witwe und hatte immer ein kleines Vermögen geerbt, das sie zum größten Teil in eine Stiftung gesteckt hatte, die dafür sorgte, daß Kinder eine schulische Ausbildung und später auch einen Arbeitsplatz erhielten.
Sarah hatte einen Kettentick.
Auch jetzt war sie mehr zu hören, als zu sehen, als sie den Dunst durchquerte. Die Ketten bewegten sich hüpfend vor ihrer Brust, klangen gegeneinander, als wären sie dabei zu üben, um später eine bestimmte Melodie spielen zu können.
Jane stand vor dem zerbrochenen Fenster. Die Tüte mit Lebensmitteln hatte sie noch nicht aus dem Fahrzeug geholt. Lady Sarah würde noch nicht sehen können, was mit der Scheibe geschehen war.
Sie nickte Jane zu. »Sag, was geschehen ist und laß mich nicht in der Kühle stehen. Alte Menschen sind empfindlich.«
Die Detektivin mußte lächeln. »Alte Menschen ist gut. Du bist doch alterslos.«
»Na, na, meine Tochter. Keine Komplimente, die nicht stimmen.« Sie wollte noch etwas hinzufügen, aber Jane war einen Schritt zur Seite getreten, so daß sie direkt gegen den Wagen und auch gegen die Scheibe schauen konnte.
»Nun, was sagst du?«
»Erst einmal nichts«, flüsterte die Horror-Oma. »Aber es hat ja so kommen müssen. Warum sollen ausgerechnet wir verschont bleiben. Das Aufbrechen von Autos ist in London leider nichts Ungewöhnliches. Ist das Radio denn noch da?«
»Sicher.«
Sarah Goldwyn gab sich zufrieden. »Dann ist es ja nur die Scheibe gewesen.«
»Es war kein normaler Einbruch, sondern ein perfekter Überfall, Sarah. Und ich habe verdammt viel Glück gehabt.«
Janes Stimme hatte so ernst geklungen, daß die Horror-Oma aufschaute und sich ihr Blick an Janes Augen festsaugte, in denen kein Lächeln zu sehen war.
»Hast du Angst?«
»Gehabt, Sarah, gehabt.«
»Und vor wem?«
»Ich kenne den Mann nicht. Er ist mir völlig fremd gewesen, aber er hatte sich ausgerechnet mich als Opfer ausgesucht. Er wußte, wer ich war, er forderte den Angriff heraus, er…«
»Langsam, langsam, Jane.« Sarah Goldwyn bewegte beide Hände. »Er hat dich also auf dem Parkplatz des Supermarkts erwischt, nehme ich an. Oder liege ich da falsch?«
»Nein, richtig.«
»Und du kanntest ihn nicht. Er schlug die Scheibe ein, um dich…«
»Nicht er, sondern ein Aal, der aus seinem Mund drang und ein Gebiß zum Fürchten hatte.«
Lady Sarah ging zurück. Für sie war Jane ein anderes Wesen geworden. Mit einem derartigen Blick wie jetzt hatte sie die Detektivin noch nie zuvor angeschaut.
»Du weißt, was du da gesagt hast?«
»Sicher.«
»Kannst du das im Haus wiederholen?«
Jane verzog die Lippen. »Sogar in allen Einzelheiten.« Sie holte die Tüte mit den Lebensmitteln hervor und sprach davon, daß sie den Wagen später zur Werkstatt fahren wollte, was Lady Sarah nicht mehr hörte, denn sie war bereits durch den Vorgarten auf das Haus zugegangen.
Der kleine Garten zeigte ein frühlingshaftes Bild. Weiß breiteten drei herrliche Pfingstrosen ihre Blätter aus, und in kleinen, extra dafür angelegten Beeten leuchtete eine bunte Blumenpracht.
Mit dem Fuß drückte Jane Collins die Tür zu und stellte die Tüte in der Küche ab, wo Sarah bereits auf sie wartete. »Willst du jetzt reden, oder sollen wir uns bei einer Tasse Tee zusammensetzen?«
»Nein, ich rede jetzt!«
»Dann, bitte.«
Jane nahm auf der Kante eines Stuhls Platz, als würde eine eingeschüchterte Schülerin vor ihrer Lehrerin hocken. Und sie erzählte alles, wobei sie nicht die geringste Kleinigkeit ausließ.
Wenn es sein mußte, dann war Sarah Goldwyn eine gute Zuhörerin. In
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