0754 - Der Zeitsauger
Aber die Verwandten haben sie anhand von Leberflecken und einer Tätowierung mehr oder weniger identifiziert. Und da die Frau auf den Papieren Blutspenderin war, wissen wir, dass die Blutgruppe übereinstimmt. Die DNA-Analyse steht noch aus.«
»Also suche ich nach vorzeitiger Alterung mit Todesfolge und den möglichen Gründen dafür.«
»Korrekt. Rätselhafte Todesfälle, vor allem in England, innerhalb der letzten paar Jahre…«
»Und darüber hinaus. Wer weiß schon, seit wann es dieses Phänomen gibt.«
Zamorra und Nicole erreichten das Kellergewölbe, in dem die Transportblumen wuchsen. Die seltsamen Pflanzen waren mannsgroß, und ihre Kelche schimmerten in allen Farben des Regenbogens. Als Transportmittel waren die Blumen unschätzbar. Man brauchte sich seinen Zielort nur vorzustellen, um ohne Zeitverlust dorthin zu gelangen - sofern es dort ebenfalls Regenbogenblumen gab…
»Sei vorsichtig, Chéri« flüsterte Nicole Zamorra ins Ohr, als sie sich zum Abschied umarmten. »Und ich meine nicht nur das Autofahren. Ich lasse dich nicht gerne aus den Augen.«
Zamorra lächelte. »Dann beeil dich, damit du schnell nachkommen kannst.« Er stellte sich zwischen die Regenbogenblumen, schloss die Augen und - verschwand.
Nicole starrte noch einige Momente auf die Stelle, wo Zamorra gerade noch gewesen war.
Sie hatte das Gefühl, dass ein Abdruck seiner Gestalt auf ihrer Netzhaut noch zu sehen war.
Verdammt!, dachte sie. Ich muss damit aufhören, mir um ihn Sorgen zu machen. Er kann selbst auf sich aufpassen.
Seit Zamorra und sie das Wasser des Lebens getrunken hatten, waren sie theoretisch unsterblich; zumindest, was natürliche Ursachen anging - Alter und Krankheit.
Aber sie konnten eines Tages durch Gewalteinwirkung sterben. Und wie bei jeder Trennung fragte sich Nicole, ob heute der Tag war, von dem sie wusste, dass er irgendwann kommen musste. Ob sie Zamorra gerade zum letzten Mal gesehen hatte.
Nach ein paar Sekunden riss sie sich mit einem spöttisch-irritierten Schnauben aus ihrer morbiden Stimmung. Schließlich gab es eine Menge Arbeit. Herumstehen und brüten half Zamorra keinen Schritt weiter. Und ihr auch nicht.
***
Es war ein kalter, regnerischer Tag.
Nur einmal, dachte Zamorra, möchte ich einen klaren, warmen Sommertag in England erleben. Aber manche Klischees bestätigten sich eben.
Er hatte eine stundenlange Autofahrt über völlig überflutete Straßen hinter sich. Wenigstens hatte er keine Schwierigkeiten damit, dass er in England auf der linken Straßenseite fahren musste. Schließlich war er hier oft genug unterwegs.
Die Regennässe hatte ihn schnell seine Entscheidung verfluchen lassen, statt mit dem Flugzeug mit Hilfe der Regenbogenblumen nach England zu gelangen. Aber die Kontrollen am Flughafen hätten es ihm fast unmöglich gemacht, den Blaster mitzunehmen.
Trotzdem war er auch froh, dass er dieses Mal seinen eigenen fahr baren Untersatz benutzt hatte, um nach Manchester zu gelangen. Das letzte Mal hatte Kathy Harrold ihn vom Flughafen abgeholt - und er konnte sich noch allzu gut an den mehr als eigenwilligen Fahrstil der jungen Polizistin erinnern. Er hatte nicht das Bedürfnis, sich ihren Fahrkünsten noch einmal auszusetzen.
Immerhin erreichte er jetzt die Adresse, die sie ihm am Telefon genannt hatte. Das Opfer wohnte in einem mehrstöckigen Apartment haus. Es war die Art von großem Wohnhaus gehobener Klasse, das typisch für größere Städte war, in denen es einen hohen Bedarf an Wohnräumen für berufstätige Singles gab.
Als er aus dem Auto ausstieg, sah Zamorra Kathy und einige andere Polizisten vor dem Eingang des Hauses stehen, den sie augenscheinlich abgeriegelt hatten.
Um Kathy Harrold herum standen Beamte der Mordkommission Manchester in dicken Regenmänteln und mit aufgespannten Schirmen.
Die Polizisten liefen mit Gerätschaften in das Gebäude hinein und hinaus, befragten potentielle Zeugen und sorgten generell für ein Bild reger Aktivität.
»Professor. Es freut mich, sie wiederzusehen.«
»Danke, Kathy. Sie haben sich kaum verändert«
Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Zamorra konnte an der zierlichen, rothaarigen Polizistin neue Gesichtsfalten und einen ernsteren Ausdruck erkennen - als hätte sie in den letzten Monaten eine schwere Verantwortung tragen müssen.
Aber ihr Händedruck war immer noch fest und direkt. Er vermittelte den Eindruck, dass man es mit einer Frau zu tun hatte, die den Worten Taten vorzog.
»Wie kommt es, dass Sie mit
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