0775 - Die Herren von Sh'donth
zehnbändigen Casanova-Biographie. Tahta hatte sich entschlossen, den Chefstrategen des Gegners zu studieren.
Vorsichtig stellte sie das Glas mit Fruchtsaft auf den Tisch, als sie plötzlich eine Stimme hörte.
„Hallo!" sagte jemand, und daß dieser Jemand ein Mann war, ließ sich nicht überhören.
Tahta stampfte wütend mit dem Fuß auf den Boden. Das ging dann doch zu weit. Offenbar hatte sich ein besonders hartnäckiger Verehrer heimlich in ihr Zimmer geschlichen. Es geschah ihm recht, wenn er aus dem Schrank nicht mehr herauskam.
„Hallo", sagte der Mann erneut. „Ist dort jemand?"
„Allerdings", stellte Tahta fest. „Und wenn Sie nicht sehr bald verschwinden, dann werden Sie diesen Jemand kennenlernen."
Vorsichtig sah sie sich um. In welchem Schrank konnte der Flegel stecken? Tahta entschloß sich, vorsichtig zu sein. Es konnte nicht schaden, einen Paralysator in der Hand zu halten, wenn der freche Eindringling sich zeigte.
„Sie müssen mir helfen!" sagte der Mann. „Ich bin in Gefahr!"
„Das weiß ich", gab Tahta zurück. „Wenn Sie sich nicht verziehen, werden ich Ihnen einen härten Gegenstand auf den Kopf schlagen."
„Nur das nicht", lautete die Antwort. „Und sprechen Sie bitte ganz leise. Man darf uns nicht hören."
Der Mann flüsterte, und seine Stimme klang tatsächlich so, als fühle er sich bedroht. Wenn ich nur wüßte, woher die Stimme kommt, dachte Tahta.
„Wo stecken Sie eigentlich?" fragte sie. Nach dem zweiten Wort dämpfte sie ihre Stimme.
„Im Lüftungsschacht", gestand der Unbekannte.
„Machen Sie keine Witze", empörte sich Tahta. „Der Lüftungsschacht führt fast vierhundert Meter in die Tiefe."
„Vielen Dank für die Auskunft", murmelte der Unbekannte.
„Jetzt weiß ich wenigstens, wie tief ich falle, wenn Sie nicht bald das Gitter entfernen. Hören Sie, ich will gar nichts von Ihnen."
„Ach nein", spottete Tahta. „Und was machen Sie dann im Lüftungsschacht?"
„Das ist eine lange Geschichte, und ich habe jetzt keine Zeit, denn ich ... Hilfe!"
Tahta wurde blaß. Sie stand unter dem Gitter des Lüftungsschachts, und es konnte keinen Zweifel geben, daß die Stimme tatsächlich von dort kam.
„Leben Sie noch", fragte Tahta flüsternd.
„Nein", kam es ebenso leise zurück. „Entfernen Sie endlich das Gitter. Die Verbindungen kann man ganz leicht lösen. Aber beeilen Sie sich, ich kann mich nicht mehr lange halten!"
Tahta blieb mißtrauisch. Während sie das Gitter löste, lag der entsicherte Paralysator in Griffweite.
„Warum klettern Sie nicht einfach zurück?" wollte sie wissen.
„Das kann ich nicht. Dann würden sie mich finden!"
„Ich?"
„Nein, die anderen."
„Augenblick", bemerkte Tahta. „Sie klettern in Lüftungsschächten herum, weil jemand hinter Ihnen her ist?"
„Ungefähr richtig, aber eben nur ungefähr. Hören Sie, ich will hier heraus. Ich verspreche Ihnen, daß ich Ihre Kabine sofort verlassen werde, sobald Sie mich befreit haben. Ich bin schließlich kein Unhold, ich weiß, wie man sich älteren Damen gegenüber zu benehmen hat!"
Sekundenlang war Tahta sprachlos vor Empörung, dann löste sie die letzte Verbindung.
Sie hatte zwar nicht die geringste Angst vor dem Verbrecher, denn das mußte er sein, aber sie brachte es nicht übers Herz, ihn einfach abstürzen zu lassen. Sobald er in ihrer Kabine stand, würde sie ihn mit dem Paralysator betäuben und Hilfe holen.
Vorsichtig setzte Tahta das Gitter auf dem Boden ab, dann griff sie nach der Waffe und ging einige Schritte zurück.
„Sie können jetzt herüberkommen", sagte sie. Die Mündung der Waffe zeigte auf das Loch in der Wand.
Schlagartig begriff Tahta, daß sie einen Fehler gemacht hatte.
Sie hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit.
Eine metallisch schimmernde Spitze schob sich vor, dahinter war noch mehr Metall zu sehen. Tahta glaubte jetzt zu wissen, daß sie es mit einem fehlgeschalteten Posbi zu tun hatte. Den Paralysator konnte sie wegwerfen, er wirkte bei Posbis nicht.
Tahta wandte sich zur Flucht.
Während sich hinter ihr der defekte Robot durch die Öffnung schob, wühlte sie mit zitternden Händen in ihren Taschen nach dem Schlüssel für die Kabinentür. Sie hatte sich eingeschlossen, um vor Belästigungen sicher zu sein. Als sie endlich den Schlüssel gefunden hatte, entglitt er ihren Fingern und fiel auf den Boden. Mit immer stärker werdender Panik bückte sich Tahta nach dem Schlüssel.
Tahta kannte sich mit Posbis nicht sonderlich
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