10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)
zu den Speeren zu rufen, doch am Ende werden die Kinder den Preis dafür zahlen. Um ihretwillen wird ein weiser Fürst keinen Krieg führen, keinen Krieg ohne guten Grund und auch keinen Krieg, den zu gewinnen er nicht hoffen
kann.
Ich bin weder blind noch taub. Ich weiß, ihr alle haltet mich für unentschlossen, ängstlich und schwach. Euer Vater kannte mich besser. Oberyn war stets die Viper. Tödlich, gefährlich, undurchschaubar. Niemand hat es gewagt, auf ihn zu treten. Ich war das Gras. Freundlich, gefällig, wohlriechend bin ich stets mit dem Wind gegangen. Wer hat schon Angst, über das Gras zu laufen? Doch es ist das Gras, das die Viper vor ihren Feinden verbirgt und ihr Schutz bietet, bis sie zuschlagen kann. Euer Vater und ich haben viel enger zusammengearbeitet, als ihr ahnt … doch jetzt ist er tot. Die Frage lautet daher, kann ich seinen Töchtern vertrauen, mir an seiner Stelle zu dienen?«
Hotah betrachtete sie eine nach der anderen. Obara, in rostigen Nägeln und gehärtetem Leder, mit engstehenden Augen voller Wut und rattenbraunem Haar. Nymeria, träge, elegant, mit olivenfarbiger Haut und dem langen, schwarzen Zopf, in den rotgoldener Draht geflochten war. Tyene, mit ihren blauen Augen und dem blonden Haar, eine Kindfrau mit weichen Händen und leisem Kichern.
Tyene antwortete für alle drei. »Das Nichtstun ist schwer, Onkel. Gebt uns eine Aufgabe, irgendeine Aufgabe, und Ihr werdet sehen, wir können so treu und gehorsam sein, wie es ein Fürst sich nur wünschen kann.«
»Das freut mich zu hören«, sagte der Fürst, »doch Worte sind Wind. Ihr seid die Töchter meines Bruders, und ich liebe euch, aber ich habe lernen müssen, dass ich euch nicht vertrauen kann. Ich verlange einen Eid von euch. Schwört ihr, mir zu dienen und zu tun, was ich euch befehle?«
»Wenn wir müssen«, sagte Lady Nym.
»Dann schwört es jetzt beim Grabe eures Vaters.«
Obaras Miene verfinsterte sich. »Wenn Ihr nicht mein Onkel wärt …«
»Ich bin euer Onkel. Und euer Fürst. Schwört oder geht!«
»Ich schwöre«, sagte Tyene. »Beim Grabe meines Vaters.«
»Ich schwöre«, sagte Lady Nym. »Bei Oberyn Martell, der Roten Viper von Dorne, der ein besserer Mann war als Ihr.«
»Ja«, sagte Obara. »Ich auch. Bei Vater. Ich schwöre.«
Ein Teil der Anspannung fiel vom Fürsten ab. Hotah sah, wie er in seinem Stuhl zusammensank. Er streckte die Hand aus, und Prinzessin Arianne eilte herbei und ergriff sie. »Erzählt es ihnen, Vater.«
Fürst Doran holte schwer Atem. »Dorne hat noch immer Freunde bei Hofe. Freunde, die uns Dinge mitteilen, die wir nicht wissen sollen. Diese Einladung von Cersei ist eine List. Trystane soll King’s Landing niemals erreichen. Auf dem Rückweg wird Ser Balons Gesellschaft irgendwo im Königswald von Gesetzlosen überfallen werden, und dabei wird mein Sohn sterben. Mich bittet man nur deshalb zum Hofe, damit ich diesen Angriff selbst miterlebe und so die Königin von aller Schuld freisprechen muss. Ach, und diese Gesetzlosen? Sie werden ›Halbmann, Halbmann‹ rufen, wenn sie über uns herfallen. Ser Balon wird womöglich sogar einen Blick auf den Gnom erhaschen, aber außer ihm wohl kaum jemand.«
Areo Hotah hätte es nicht für möglich gehalten, dass man die Sandschlangen schockieren konnte. Er hatte sich getäuscht.
»Die Sieben mögen uns beschützen«, flüsterte Tyene. » Trystane? Warum?«
»Diese Frau muss wahnsinnig sein«, meinte Obara. »Er ist noch ein Junge.«
»Das ist ungeheuerlich«, sagte Lady Nym. »Das hätte ich niemals von einem Ritter der Königsgarde gedacht.«
»Sie haben Gehorsam geschworen, so wie auch mein Hauptmann«, sagte der Fürst. »Ich hatte ebenfalls meine Zweifel, aber Ihr habt alle gesehen, wie Ser Balon sich sträubte, als ich vorschlug, mit dem Schiff zu fahren. Ein Schiff hätte alle Vorbereitungen der Königin zunichtegemacht.«
Obaras Gesicht war rot angelaufen. »Gebt mir meinen Speer zurück, Onkel. Cersei hat uns einen Kopf geschickt. Wir sollten ihr einen ganzen Sack Köpfe zurückschicken.«
Fürst Doran hob die Hand. Seine Knöchel waren so dunkel wie Kirschen und beinahe so groß. »Ser Balon ist Gast unter meinem Dach. Er hat von meinem Brot und Salz gegessen. Von mir wird ihm kein Leid geschehen. Nein. Wir reisen mit ihm zu den Wassergärten, wo er sich Myrcellas Geschichte anhören und einen Raben zur Königin schicken wird. Das Mädchen wird ihn bitten, den Mann zu fangen, der sie verletzt hat. Wenn er der Mann
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