1.000 Euro für jeden
Freiheit und Macht ausgestattet, das
denken, sagen und auch vieles davon erproben zu können, was er will, hatte sich
das bedingungslose Grundeinkommen längst zur lebenslänglichen Forschungsfrage
gemacht. Die andere zögerte noch etwas, war aber bereits angesteckt von der
Leidenschaft, die die Vorstellung bereits an ganz verschiedenen Ecken der
Gesellschaft auslöste. Wir tasteten uns über unsere Fragen und Einschätzungen
aneinander heran, mit uns ein brechend volles Theater, in dem das Publikum auch
nach Mitternacht noch nicht aufhören wollte zu diskutieren. Der Abend voller
lebhafter Emotionen, Meinungen und Geschichten fand schließlich ein
biologisches Ende – in der Erschöpfung der beiden Podiumsgäste. Schon
damals stand die Frage im Raum: Warum eigentlich nicht zusammen ein Buch schreiben?
Ein Buch, in dem sich die Energie dieses Abends wiederfindet, ein Buch, das die
Aufbruchsstimmung spiegelt, die sich dieser Tage an vielen Orten und in
Initiativen rund ums Grundeinkommen zeigt, ein Buch, das die Leidenschaft und
Begeisterung für eine Idee aufgreift, deren Zeit ganz offensichtlich gekommen
ist. Jetzt im Sommer 2010 ist es so weit.
Mit
»Tausend Euro für jeden« wollen wir die Frage, ob ein Grundeinkommen
vorstellbar wäre, nicht einfach ein weiteres Mal stellen. Dazu ist in den
letzten Jahren zu viel zum Thema publiziert, geredet und gerechnet worden, im
Internet und bei einer Fülle von Veranstaltungen und öffentlichen Aktionen. Wir
haben mit vielen Vorträgen, Podiumsdiskussionen und zahllosen Mail-, Brief- und
Wortwechseln dazu beigetragen. Längst dreht es sich nicht mehr um die Frage, ob
es ein bedingungsloses Grundeinkommen geben kann, sondern nur noch darum, ob
wir es haben wollen und welche Impulse – und Ängste – es freisetzt.
»Tausend
Euro für jeden« ist eine Setzung, von der aus wir in diesem Buch das
bedingungslose Grundeinkommen weiterdenken und konkreten Fragen nachgehen.
Einige
davon lauten: Worin unterscheiden sich das Bürgergeld, wie es die FDP
vorschlägt, und die Grundsicherung, wie sie die Linkspartei fordert, vom
bedingungslosen Grundeinkommen? Was würde sich mit Grundeinkommen in der
Bildungspolitik und im Geschlechterverhältnis grundsätzlich ändern können? Was
würde es für die Gesundheit bedeuten, was für die Ökonomie? Was für den
einzelnen Menschen und was für die Gesellschaft als Ganzes? Und ja, der Frage
nach der Finanzierbarkeit wollen wir uns ebenfalls nicht verweigern, auch wenn
die Maßstäbe dafür, was bezahlbar ist und was nicht, sich gegenwärtig geradezu
täglich verschieben. Wir ziehen nicht aus jeder Frage dieselben Schlüsse,
suchen nicht die Einheit oder den kleinsten gemeinsamen Nenner, wo Differenzen
bestehen. Die finden wir gerade produktiv und nötig, weil es keine eindeutigen
Antworten geben kann. Und weil sich aus den Antworten immer neue Fragen
ergeben.
Aber in
einem Punkt sind wir uns absolut einig: Das bedingungslose Grundeinkommen in
einer existenzsichernden Höhe wird Energien freisetzen, die wir dringend
benötigen, um diese Gesellschaft zu verändern. Es ermöglicht
Verantwortung – jedes Einzelnen für sich selbst und für die Gemeinschaft.
Wir
greifen hoch, schreiben uns »Freiheit. Gleichheit. Grundeinkommen!« auf die
Fahne und behaupten, dass die humanistischen Ideale der Aufklärung, die sich in
der Französischen Revolution erstmals manifestierten und die bis heute die
Grundlage unseres europäischen Selbstverständnisses bilden, erst durch das
bedingungslose Grundeinkommen eingelöst würden. Es schafft erst die notwendige
Basis für ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit und Gleichheit.
Am Ende
dieses Buches werden wir deshalb eines hoffentlich deutlich gemacht haben: Die
absolute Zahl von tausend Euro für alle ist eine plausible Setzung, deren
konkrete Höhe in einer demokratisch verfassten Gesellschaft ausgehandelt werden
muss. Viel bedeutsamer ist, dass das Grundeinkommen ein Kulturimpuls ist, der
alle andern gesellschaftlichen und ökonomischen Fragen beeinflussen wird. In
einer Zeit, in der der Glaube an Experten- und Spezialistentum erschüttert ist,
in der wir verstehen mussten, dass wir die Schulen nicht der Schulbürokratie,
die Arbeit nicht dem Arbeitsmarkt und, spätestens seit Kopenhagen, die Umwelt
nicht Politik, Industrie und Verbänden überlassen können, haben wir auch
verstehen müssen, dass Geld bei Geldspezialisten nicht gut aufgehoben ist. Das
Grundeinkommen ist die notwendige, wenn auch
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