124 - In der Gewalt der Daa'muren
Sie rissen ihre Münder zu meist stummen Schreien auf. Est'sil'aunaara bückte sich nach ihrem Strahler, legte an und schoss.
Irgendwann trieb sie das Feuer, das sie entfacht hatte, aus der brennenden Ruine. Drinnen schrie niemand mehr. Ihr Umhang stand in Flammen. Sie riss ihn sich von ihrem Schuppenleib. Die wenigen Stellen, wo Flämmchen aus dem schwarzen Leder ihres Anzugs züngelten, löschte sie mit bloßer Klaue.
Ein paar Atemzüge lauschte sie noch, hörte aber nichts mehr außer dem Prasseln des Feuers. Sie steckte den Strahler in den Gurt, bestieg den scheuenden Frekkeuscher und ritt los. Hinter ihr stieg eine Rauchsäule in den Abendhimmel.
***
Schönes Feld, Mitte Oktober 2520
Die Dämmerung kroch durch den Wald. Die Männer verwandelten sich nach und nach in wandelnde Schatten, ihr Speere, Armbrüste und geschulterte Schwerter in schwarze Stacheln und Hörner. Fast lautlos pirschten sie durch dichtes Unterholz, kletterten über umgestürzte Stämme, überquerten Bachläufe, wichen Tümpeln und mit Wasser gefüllten Wurzelkratern aus.
Wulfgang und sein Frekkeuscher-Geschwader waren voraus geflogen. Sie sollten den Weg sichern und nach Brunor und den Waldmännern Ausschau halten.
Neben Bulldogg ging der Hundemeister an der Spitze. Den Kriegshund führte er an straffer Leine. Greif und die Schwarze führten die kleine Armee immer näher an die große Lichtung im Schönen Feld heran. Eine halbe Stunde war vergangen, seit sie von der Gotteshausruine aufgebrochen waren. Noch knapp drei Speerwürfe trennten sie vom Rand des Buschlandes, den Königin Jenny »Flughafen« nannte.
Greif und die Hündin blieben stehen, hoben die Schädel und spitzten die Ohren. Auch die Männer rechts und links von Rudgaar bewegten sich plötzlich nicht mehr. Und dann hörte er es selbst: Flügelschwirren. Es kam nicht vom alten Flugplatz her, es kam aus südlicher Richtung, von der Gotteshausruine her.
»Bolles Frekkeuscherreiter!«, zischte Bulldogg. Er blaffte ein paar Befehle nach links und rechts, und zwei Boten huschten ins Halbdunkle, um Wulfgang zu benachrichtigen.
Die Armbrustschützen und Speerträger formierten sich, keiner rührte sich mehr, keiner sprach. Rudgaar kniete neben Orguu, seinem Kriegshund, hielt ihn fest und flüsterte beruhigende Worte in dessen Ohr.
Bulldogg setzte darauf, dass die Pottsdamer Vorhut seine Truppe in der Dämmerung nicht entdecken würde. Er wusste aber, dass er seinen Vorteil ausnutzen und die sich deutlich gegen den schwarzblauen Himmel abzeichnenden Frekkeuscher unter Feuer nehmen musste, um Wulfgang vor einem Überraschungsangriff zu schützen.
Die Fluggeräusche näherten sich. Bulldogg hob die Hand, Speerträger und Schützen legten ihre Waffen an. Und dann sahen sie die Konturen der feindlichen Frekkeuscher über den Wipfeln. Fast zwei Dutzend zählte Rudgaar. Doch Bulldogg ließ die Hand nicht sinken und niemand schoss – die Pottsdamer flogen viel zu hoch. Hatten die Frekkeuscherreiter denn nicht die Absicht, sie am Waldboden zu entdecken? Der Oberst fluchte.
»Hier!« Bulldogg und Rudgaar zuckten zusammen. »Hier sind wir«! Männer aus Bulldoggs Truppe rannten zurück Richtung Süden. »Hierher!« Sie zogen ihre Schwerter, schlugen auf ihre Schilde, brüllten und pfiffen.
»Verräter!«,schrie Maakus. »Verfluchte Verräter unter uns!«
»Macht sie nieder!«, rief Bulldogg.
Der Lärm aufeinander krachender Klingen erfüllte plötzlich den Wald. Rudgaar sah Funken sprühen. Der Kriegshund begann zu kläffen, Greif und die Schwarze winselten.
»Da!« Rudgaar deutete zurück. »Fackeln!« Tatsächlich flammten Lichter auf in der Richtung aus der sie gekommen waren. Rasch kamen sie näher, viel rascher als ein Mensch sich im dichten Wald bewegen konnte; und größer und größer wurden sie.
»Brennende Holzstöße!«, schrie jemand. »Das sind keine Fackeln! Sie jagen Wisaaun mit brennenden Holzstößen in den Wald…!«
»Möge Orguudoo ihnen die Krätze bringen!« Bulldogg war außer sich. »Die Eier sollen ihnen abfaulen!«
Kampflärm und Schreie von Verletzten von allen Seiten.
Rudgaar sah die Umrisse von Männern aufeinander losgehen, die eben noch Seite an Seite marschiert waren. Ganz langsam nur erfasste er das Ausmaß des Verrates. Ein Pfeil knallte neben ihm in einen Baumstamm. Er ließ sich ins Unterholz fallen und löste den Maulkorb seines Kriegshundes. Bulldogg sackte in die Knie, stöhnte und riss sich einen Pfeil aus der Schulter. Keine zehn
Weitere Kostenlose Bücher