1265 - Die heilende Gottin
Dabei ist keine einzige dieser erbärmlichen Kreaturen fähig, den Geschmack dieser Köstlichkeiten auch nur annähernd zu beurteilen."
Ksoundoksä befand sich in einer schwierigen Lage. Auf der einen Seite mußte er Ghrou-Thar zu verstehen geben, daß erhebliche Kostensteigerungen auf ihn zukamen und daß vor allem der Bahntransport teurer werden würde. Auf der anderen Seite mußte er versuchen, seine wirtschaftliche Macht nicht gar zu deutlich werden zu lassen. Er mußte als Hoherpriester ein Mann Kidos bleiben und durfte nicht als Wirtschaftsmagnat auftreten. Durch geschickte Manöver und einige Winkelzüge, die besser nicht ans Licht des Tages kamen, hatte er sich die Kapitalmehrheit an der Eisenbahngesellschaft gesichert.
So konnte er maßgeblichen Einfluß auf das einzige Transportmittel nehmen, mit dem Thaema-Thahar versorgt wurde und mit dem die Industrie dieses Tales ihre produzierten Güter abtransportieren konnte. Doch er konnte einem Mann wie Ghrou-Thar nicht ohne weiteres zu verstehen geben, daß er an der Eisenbahngesellschaft beteiligt war. Das hätte zuviel Staub aufgewirbelt. Niemand brauchte zu wissen, wie weitreichend die finanziellen Verflechtungen waren, die er im Lauf der Jahre aufgebaut hatte. Niemand brauchte seine wahre Macht zu kennen. Es genügte, daß er nahezu jeden Feind mühelos mit Hilfe von finanziellen Transaktionen aus dem Weg räumen konnte, wenn er dies wollte. „Gehen wir hinaus zu den Arbeitern", schlug der Kidowhtar-Darhan vor. „Geben wir ihnen mehr Lohn."
Ghrou-Thar war schockiert. Fassungslos blickte er den Hohenpriester an.
Ruhig setzte dieser ihm auseinander, welche Überlegungen er angestellt hatte und daß er zu dem Schluß gekommen war, daß alle davon profitieren würden, wenn der Lohn verbessert wurde. „Sie haben gar keine andere Möglichkeit, als ihr Geld hier in Thaema-Thahar auszugeben", beendete er seinen Vortrag. „Sie werden unsere eigene Wirtschaft stärken."
Vor der Tür entstand großer Lärm. Besorgt blickte Ghrou-Thar auf. Er wollte seinen Dienern einen Befehl erteilen, kam jedoch nicht mehr dazu. Bevor er irgend etwas sagen konnte, flog die Tür auf, und die zerlumpten, ausgemergelten Gestalten der Arbeiter drängten sich herein. Die Männer starrten vor Schmutz, und sie waren so schwach, daß sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnten.
Gierig stürzten sie sich auf den Tisch, rissen die Speisen an sich und schlangen sie hinunter, ohne sich um das Protestgeschrei Ghrou-Thars zu kümmern. Ksoundoksä war aufgestanden und zur Seite ausgewichen. Jetzt kämpfte sich der Industrielle durch die Menge zu ihm durch. „Eine derartige Unverschämtheit habe ich noch nie erlebt", keuchte er. „Sie wagen es, in mein Haus einzudringen und mir so etwas anzutun. Das ist Raub. Ich werde dafür sorgen, daß sie bestraft werden."
„Überlaß das mir", entgegnete der Kidowhtar-Darhan.
Die Arbeiter hatten die Speisen verzehrt, und jetzt wurde es ruhig im Raum. Einer der Männer trat auf Ghrou-Thar und den Hohenpriester zu. Er fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. „Wir wollten einmal das essen, was du offenbar jeden Tag verspeist, Ghrou-Thar", erklärte er. „Ihr habt die Würde meines Hauses verletzt und meinen Gast beleidigt", antwortete der Industrielle. „Dafür werdet ihr büßen."
„Wir werden noch mehr tun", erwiderte der Arbeiter. „Wir werden deine Fabriken zerstören, wenn unser Lohn nicht erhöht wird."
Ksoundoksä hob beschwichtigend die Hände. „Das war bereits vor Stunden beschlossene Sache", behauptete er. „Ich habe Ghrou-Thar davon überzeugen können, daß es unser aller Vorteil ist, wenn er euch besser bezahlt."
„Du, Hohefpriester?" fragte der Arbeiter erstaunt. Er fiel auf die Knie. „Das hast du für uns getan?"
„Das hat er", bestätigte Ghrou-Thar mit unbewegter Miene. „Es war also vollkommen überflüssig, daß ihr hier eingedrungen seid."
„Er verspricht uns etwas, was er später nicht halten will", befürchtete einer der anderen Arbeiter. „Er will uns nur aus dem Haus treiben."
„Ich verbürge mich dafür, daß eure Löhne erhöht werden", erklärte der Kidowhtar-Darhan. „Sie werden in einem Maß erhöht werden, daß jeder von euch sich genügend Essen dafür kaufen kann. Die Zeit des Elends ist für euch vorbei." - „Wie ist das möglich?" fragte einer der anderen Arbeiter. Er hatte nur noch ein Auge. „Kido ist dafür verantwortlich", berichtete Ghrou-Thar. „Er hat mein Kind geheilt. Er
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