1700 - Hüter der Apokalypse
kurzen Zeit des Frühlings, aber jetzt, im Sommer, war die Gegend zu einer einzigen Wüste geworden.
Der Gang hatte de Salier gut getan. Er war zufriedener geworden, denn er wusste jetzt, dass er sich auf seine Männer verlassen konnte. Für ihn war es ein gutes Omen für die nächsten Tage, wo sie endlich Klarheit haben würden.
Der Templer machte kehrt. Ihm war nicht mehr so schwer ums Herz, als er zurück zu seinem Zelt ging, wo er den Rest der Nacht verbringen wollte.
Darauf musste er zunächst verzichten, denn hinter sich hörte er Stimmen. Es waren seine drei Späher, die von ihrem gefährlichen Auftrag zurückkehrten.
Godwins Herz schlug plötzlich schneller. Die Haut in seinem Gesicht spannte sich. Er erwartete die Männer, die auf dem direkten Weg zu ihm waren.
Sie sahen erschöpft aus, aber sie konnten lächeln, was Godwin Hoffnung gab.
»Ist euch etwas passiert?«, fragte er.
»Nein, wir sind unverletzt.«
»Das ist gut. Und was habt ihr herausgefunden?«
Die Antwort gab ein Mann, der in seiner Heimat als Küfer arbeitete. »Wir haben sie gesehen. Oder Reste von ihnen. Sie haben sich weit zurückgezogen. Jenseits des Kindron-Tals sitzen sie und lecken ihre Wunden.«
Die Nachricht erfreute Godwin. Er nickte und fragte: »Dann werden wir mit einer ruhigen Nacht rechnen können?«
»Ja. Sie werden nicht angreifen. Sie sind zu erschöpft. Wir waren besser.«
»Es tut gut, dies zu hören. Deshalb möchte ich, dass ihr euch jetzt Schlaf gönnt, denn es bleibt bei unserem Plan. In wenigen Stunden werden wir aufbrechen, um den Hügel zu erobern.«
»Für Gott und den Papst!«
»Ja, für die ganze Christenheit und für die Rettung des Heiligen Landes.«
Mehr musste Godwin de Salier nicht sagen. Er drehte sich um und betrat wenig später sein Zelt. Zwar war er innerlich nicht völlig ruhig geworden, aber er war so zufrieden, dass es ihm gelingen würde, einzuschlafen. Ruhe war auch für ihn wichtig, denn der nächste Tag konnte zur Hölle werden.
Siegen – immer wollten sie siegen. Bisher war es den Kreuzrittern gelungen, aber Godwin de Salier wusste genau, dass sich dort, wo Licht ist, auch Schatten befinden …
***
Gegenwart
Der Templerführer Godwin de Salier erwachte und stellte fest, dass er schweißnass war. Es lag nicht an einer Krankheit, die ihn überfallen hatte, er dachte daran, dass er einen Traum gehabt hatte, und der war nicht so leicht beiseite zu schieben. Er hatte für eine innere Unruhe gesorgt. Er war aufgewühlt gewesen, und auch jetzt, nach dem Erwachen, war das Gefühl nicht völlig verschwunden.
Godwin richtete sich auf. Das Oberteil seines Schlafanzugs klebte an der Haut fest. Er warf einen Blick auf die Uhr. Die sechste Morgenstunde war angebrochen. Es würde wohl ein normaler Tag werden, doch daran konnte er nicht mehr glauben.
Nicht nach diesem Traum, nach einem Traum, dessen Inhalt aus der Wahrheit bestand. Sein Unterbewusstsein hatte Erlebnisse freigegeben, die ihm nicht neu waren, aber tief in der Vergangenheit begraben lagen. In seinem ersten Leben als Kreuzritter.
Eigentlich war die Vergangenheit verschüttet. Er wollte auch nichts mehr mit ihr zu tun haben. Dass er jetzt so überdeutlich daran erinnert wurde, war schon rätselhaft.
Godwin de Salier ging immer davon aus, dass nichts ohne Grund geschah. Und auch dieser Traum war ihm nicht grundlos geschickt worden. Hinter allem, was in seinem Leben geschah, sah er einen Sinn, und so war es auch hier.
Er wollte nicht länger im Bett bleiben und auf keinen Fall seine Frau Sophie stören. Sie lag in der anderen Betthälfte und atmete tief und regelmäßig.
Auf seinem Nacken lag ebenfalls ein Schweißfilm. Er hatte sich dort regelrecht festgesetzt, und auch sein Herz schlug nicht so ruhig, wie es eigentlich der Fall hätte sein sollen.
Godwin ging auf die Tür zu und verließ das Schlafzimmer. Wenig später befand er sich in seinem Arbeitszimmer und schaute auf den Knochensessel unter dem Fenster.
Bei ihm tat sich nichts. Das Gebein schimmerte bleich wie immer. Der Sessel sandte ihm keine Botschaft.
Godwin brauchte frische Luft. Er ging zum Fenster und öffnete es. Auch in Südfrankreich war der Sommer vorbei. Der Herbst hatte Einzug gehalten und dem Laub ein buntes Spektrum aus Farben gegeben. Viele Blätter waren bereits gefallen und lagen auch auf dem Boden des Gartens, in den Godwin schaute.
Der Himmel war noch dunkel. Schwach zeichneten sich einige helle Wolkenstreifen ab. Regen war für den neuen Tag
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