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Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Titel: Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Rammstedt
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Zusammenarbeit bedankt, sonst hätte
er doch nicht »Alle liegen bleiben« gerufen, nur weil er die Stimme noch einmal
hören wollte, um herauszufinden, ob sie wirklich ihm gehörte.
    Hätte er mit dem Banküberfall gerechnet, hätte er doch seine Beine
bewegen können, dann hätte er doch auch seine Arme bewegen können, dann hätte
sich nicht diese Schwere auf ihn gesetzt, dann wäre nicht diese Müdigkeit in
ihn gekrochen, dann hätte er sich doch nicht neugierig umgesehen, um zu
schauen, wie es wohl weiterginge, wer denn jetzt mit irgendetwas an der Reihe
wäre. Er hätte nicht müde gelächelt, als die Sirenen zu hören waren, als der
Schalterraum in blaues Licht getaucht wurde, als man von draußen die schweren,
zielstrebigen Schritte hörte, kurze Befehle, als irgendetwas durch einen
Lautsprecher gerufen wurde. Er hätte doch verstanden, was da gerufen wurde, er
hätte doch gewusst, was er darauf zu antworten hatte, er hätte sich doch nicht
zu mir umgedreht, er hätte nicht auf einmal kleiner und älter ausgesehen als
der Keramikelefant auf seinem Schreibtisch, er hätte mich doch nicht zum ersten
Mal, seit wir uns kannten, nach meiner Meinung gefragt. »Und was jetzt?«, fragte
er, und ich wusste keine Antwort. Wie auch? Etwas kommen zu sehen, hilft einem
selten weiter.
    Das also ist die brenzlige Situation, Herr Willis. Im Roman steht
mein ehemaliger Bankberater immer noch im Schalterraum seiner Bank, sein Blick
ist immer noch auf mich gerichtet. Von draußen leuchtet es blau, man hört keine
Schritte mehr, alle sind auf ihrem Posten, alle sind bereit, alle warten, und
mein Bankberater weiß nicht weiter. Das überrascht mich nicht. Er passt nicht
in so eine Situation. Sie passen in so eine Situation, Herr Willis. Sie wissen,
was zu tun ist. Also tun Sie es bitte. Tun Sie es bitte auf der Stelle.
    Und sagen Sie jetzt nicht, dass Sie noch einmal darüber schlafen
möchten. Darüber schlafen macht alles immer nur komplizierter, das muss ich
Ihnen nicht erzählen. Sagen Sie nicht, dass Sie bedauerlicherweise andere
Verpflichtungen haben. Das hier ist ein Notfall, das werden die Verpflichtungen
verstehen. Und denken Sie daran: Es geht hier nicht nur um Sie. Es geht um
meinen Bankberater, es geht um mich, es geht um das glückliche Ende einer
Geschichte. Darum geht es doch immer, nur darum geht es immer.
    Ihr
    Tilman Rammstedt
    Eine Altersvorsorge könne er mir nicht guten Gewissens
empfehlen, sagte mein ehemaliger Bankberater. »Überhaupt: Vorsorge«, sagte er.
»Als ob man die Sorgen so einfach hinters Licht führen könnte, als ob man weniger
Sorgen hätte, wenn man sie einfach nach vorne verlegt.« Er sah mich aufgebracht
an. »Den Sorgen selbst ist es reichlich egal, was für eine Art von Sorge sie
sind«, ließ er mich notieren. Dann ließ er es mich doppelt unterstreichen.

Sehr geehrter Herr Willis,
    ich hoffe Sie mit meiner gestrigen Mail nicht überfordert zu
haben. Das war vielleicht ein bisschen viel auf einmal. Sie sind bestimmt sofort
aufgestanden und ziellos durch die Wohnung gelaufen. Sie haben den Kühlschrank
geöffnet und wieder geschlossen. Sie haben Gegenstände in die Hand genommen,
einen Teller, einen Briefumschlag, einen unförmigen Filmpreis, weil Sie das
dringende Bedürfnis hatten, etwas in der Hand zu halten. Sie sind ins Badezimmer
gegangen, haben in den Spiegel geschaut und waren nicht erschrocken über das,
was Sie da sahen. Sie kennen Ihr Gesicht schließlich, Sie kennen es in- und auswendig.
Sie kennen die Falten, die Augenringe, den viel zu routiniert stechenden Blick.
Sie haben sich die Zähne geputzt, um einen Grund zu haben, noch etwas länger
vor dem Spiegel zu stehen. Der Schaum lief Ihnen übers Kinn und tropfte von
dort auf Ihr Hemd. »Keine Chance«, haben
Sie gemurmelt und selbst nicht genau gewusst, was Sie damit meinten, und
deshalb haben Sie es noch einmal gemurmelt: »Keine Chance«, und die Worte kamen
Ihnen angenehm vertraut vor, wie Freunde von früher, als andauernd irgendjemand
behauptete, dass es keine Chance gebe, mitunter sogar Sie selbst. Nie aber war
das ein Grund, es nicht zu versuchen.
    Und deshalb sind Sie schnell zurück an den Schreibtisch, den
Zahnpastaschaum noch im Mundwinkel. Sie haben wahrscheinliche und
unwahrscheinliche Grundrisse der Bank gezeichnet. Sie haben die Ausrichtung der
Türen und Fenster studiert, die Treppenhäuser, die Lüftungsschächte. Sie haben
geeignete Verstecke markiert, von den Überwachungskameras nicht erschlossene

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