Akte Weiß: Das Geheimlabor, Tödliche Spritzen
Garberville nicht vor Mitternacht erreichen konnte. Hoffentlich blieb Sarah auf und wartete auf sie. Aber wie sie Sarah kannte, wurde bestimmt ein Abendessen im Herd warm gehalten, und im Kamin loderte ein Feuer. Catherine fragte sich, wie ihrer Freundin die Schwangerschaft bekam. Wunderbar, natürlich. Sarah hatte jahrelang von diesem Baby gesprochen, einen Namen dafür ausgesucht – Sam oder Emmy – und das schon lange, bevor sie schwanger geworden war. Die Tatsache, dass sie keinen Ehemann mehr hatte, spielte eine untergeordnete Rolle. „Man kann nur eine begrenzte Zeit auf den richtigen Vater warten”, hatte Sarah erklärt. „Dann muss man die Dinge selbst in die Hand nehmen.”
Und das hatte sie getan. Während ihre biologische Uhr ihre letzten Jahre verticken ließ, war Sarah zu Cathy nach San Francisco gefahren und hatte in aller Ruhe aus den Gelben Seiten eine Samenbank ausgesucht. Natürlich eine liberal eingestellte. Eine, die Verständnis für die verzweifelte Sehnsucht einer neununddreißig Jahre alten, allein stehenden Frau aufbrachte. Die Befruchtung selbst war eine kühl klinische Angelegenheit gewesen, wie sie später erzählte. Auf den Tisch hüpfen, die Füße in die Steigbügel stellen, und fünf Minuten später war man schwanger. Nun ja, fast. Aber es war eine einfache Prozedur, die Spender waren nachweisbar gesund, und was das Beste von allem war, eine Frau konnte ihre Mutterinstinkte ohne das ganze alberne Zeug rund um eine Ehe befriedigen.
Ja, das alte Ehespiel! Sie beide hatten es durchlitten. Und nach ihren Scheidungen hatten sie beide ungeachtet der Narben aus der Schlacht weitergemacht.
Tapfere Sarah, dachte Cathy. Wenigstens besitzt sie den Mut, das alles ganz allein durchzustehen.
Der alte Ärger stieg in ihr hoch und war noch immer stark genug, dass ihr Mund sich schmal zusammenpresste. Sie konnte ihrem Exmann Jack eine Menge verzeihen. Seine Selbstsucht. Seine Forderungen. Seine Untreue. Aber sie konnte ihm nie verzeihen, dass er ihr die Chance verweigert hatte, ein Kind zu bekommen. Oh, sie hätte selbstverständlich gegen seinen Wunsch ein Kind bekommen können, aber sie hatte gewollt, dass er es sich genauso sehr wünschte. Also hatte sie auf den richtigen Zeitpunkt gewartet. Doch während ihrer zehnjährigen Ehe hatte er sich nie „bereit” gefühlt, war es nie „der richtige Zeitpunkt” gewesen.
Er hätte ihr natürlich die Wahrheit sagen können, nämlich, dass er zu egozentrisch war, um sich mit einem Baby abzugeben.
Ich bin siebenunddreißig Jahre alt, dachte sie. Ich habe keinen Ehemann mehr. Ich habe nicht einmal einen ständigen Freund. Aber ich wäre zufrieden, könnte ich nur mein Kind in den Armen halten.
Wenigstens würde Sarah bald so glücklich sein.
In vier Monaten war das Baby fällig. Sarahs Baby. Cathy musste bei dem Gedanken lächeln, obwohl der Regen jetzt gegen ihre Windschutzscheibe prasselte und sie trotz der auf höchster Geschwindigkeit laufenden Scheibenwischer kaum die Straße erkennen konnte. Sie sah auf ihre Uhr. Es war fast schon halb zwölf. Weit und breit war kein anderer Wagen in Sicht. Falls sie hier draußen eine Panne hatte, würde sie die Nacht auf den Rücksitzen verbringen müssen, während sie auf Hilfe wartete.
Sie versuchte, die Mittellinie auszumachen, sah jedoch nichts als eine solide Regenwand. Sie hätte doch in diesem Motel in Willits absteigen sollen. Doch sie hasste die Vorstellung, nur noch fünfzig Meilen von ihrem Ziel entfernt zu sein, besonders nachdem sie so weit gefahren war.
Sie entdeckte vor sich ein Schild: Garberville, 10 Meilen. Also war sie doch weiter, als sie angenommen hatte. Noch fünfundzwanzig Meilen, dann kam eine Abzweigung und eine Strecke von fünf Meilen durch dichte Wälder zu Sarahs Zedernholzhaus. Dass sie so nahe war, steigerte ihre Ungeduld. Sie gab dem alten Ford etwas mehr Gas, eine Unvorsichtigkeit unter diesen Bedingungen, aber ein warmes Haus und heiße Schokolade waren einfach zu verlockend.
Die Straße beschrieb plötzlich eine Kurve. Erschrocken riss Cathy das Steuer nach rechts, und der Wagen rutschte wild über die regennasse Fahrbahn. Cathy hütete sich, auf die Bremse zu treten. Stattdessen umklammerte sie das Lenkrad und kämpfte darum, den Wagen wieder unter Kontrolle zu bringen. Die Reifen rutschten ein paar Meter weit, bis sie schon dachte, die Bäume am Straßenrand mitzunehmen. Im letzten Moment griffen die Reifen wieder, und Cathy schaffte den Rest der Kurve.
Dann
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