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Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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die Fenstertüren zum Garten hin geöffnet sind, und Ruth und Max setzen sich draußen auf eine Steinbank, Klaudia hechelnd zu ihren Füßen. Es dauert nicht lange, da gesellt sich Cathbad zu ihnen; er hat eine dunkelhaarige Frau in einem roten Kleid im Schlepptau.
    «Hallo, Max, schön, dich zu sehen. Ruth, ich würde dir gern Caroline Smith vorstellen.»
    Ruth springt auf und klopft sich die Krümel von der Hose. Caroline ist eine attraktive Frau um die dreißig. Sie strahlt etwas seltsam Altmodisches aus. Wie Cathbad, der oft verkleidet wirkt, auch wenn er ganz normale Kleidung trägt, macht Caroline den Eindruck, als trüge sie ein historisches Kostüm. Sie hat das Haar zu einem Knoten gesteckt, und ihr knöchellanges, etwas aus der Mode gekommenes Kleid könnte auch aus der Zeit Edwards oder Victorias stammen. Seltsamerweise erinnert es Ruth an den Rock auf dem Bild
Can These Dry Bones Live?
. Vermutlich ist auch Caroline in Trauer, so wie die Frau auf dem Bild.
    «Es tut mir so leid, was mit Ihrem Vater passiert ist», sagt Ruth zu ihr.
    «Danke», erwidert Caroline. Ihre Stimme klingt ein wenig zögerlich und will so gar nicht zu ihrer starken Präsenz passen. «Ich war mir nicht sicher, ob ich heute überhaupt kommen soll. Tam… Meine Familie fand, ich sollte es lieber lassen, aber Cathbad hat mich dann doch überredet.»
    «Ja, er kann ziemlich überzeugend sein», zitiert Ruth Max’ frühere Äußerung.
    «Die Aborigines faszinieren mich einfach», fährt Caroline fort. «Ich habe ein ganzes Jahr in Australien verbracht. Wussten Sie, dass die Aborigines eine ganz andere Landkarte von Australien haben? Für sie ist es tatsächlich ein völlig anderes Land.»
    «Die Namen sind unterschiedlich, oder?», sagt Ruth. «Ayers Rock zum Beispiel …»
    «Ja, der Name ‹Ayers Rock› stammt von den Kolonialherren. Sein richtiger Name lautet Uluru. Er gehört zum Nationalpark Uluru-Kata Tjata. Dem roten Herzen Australiens.»
    Sie spricht die Namen voller Selbstbewusstsein aus, aber mit so viel Leidenschaft, dass Ruth unwillkürlich ein wenig zurückweicht.
    «Woher kennen Sie Cathbad?», fragt sie.
    «Ich war in einem seiner Archäologiekurse.»
    «Cathbad gibt Archäologiekurse?» Ruth ist ein wenig eingeschnappt. Sie arbeitet doch schließlich im Fachbereich Archäologie an der Uni, und Cathbad hat ihr nie etwas von diesen Kursen erzählt.
    «Es geht nicht um Archäologie im eigentlichen Sinn», sagt Cathbad bescheiden. «Eher um Rituale und mystische Symbolik.»
    «Ach so.» Ruth beruhigt sich sofort wieder. Mystische Symbolik ist kein integraler Bestandteil des universitären Stundenplans.
    «Wobei es», wirft Max ein, «in der Archäologie ja immer um Rituale und Symbolik geht. Selbst Völker, die wir als primitiv einstufen, haben ihre Toten unter Einsatz gewisser Rituale bestattet. Wir wissen zwar nicht immer, was es mit diesen Ritualen auf sich hat, aber wir wissen doch, dass es sie gab.»
    Das hätte jetzt auch von Erik sein können, denkt Ruth. Sie schaut zu Cathbad hinüber und fragt sich, ob er wohl etwas Ähnliches denkt. Max hat Erik sehr verehrt, das fällt Ruth jetzt wieder ein (obwohl sie es auf einer anderen Ebene die ganze Zeit gewusst hat). Sie fragt sich, warum Max, der sich doch auf die Römer in Großbritannien spezialisiert hat, eine Tagung zum Umgang mit Aborigine-Gebeinen besucht.
    «Ein paar Museen in Sussex haben Überreste australischer Ureinwohner in ihrer Sammlung», erzählt er, als sie vor der Nachmittagsveranstaltung noch einmal rasch mit Klaudia um den Block gehen. «Ich wurde gebeten, mich der Sache anzunehmen. Persönlich sehe ich nicht, was gegen eine Rückgabe spräche. Für die Kultur der Ureinwohner sind sie von viel größerer Bedeutung.»
    «Das sehe ich auch so.» Ruth ist ein wenig außer Puste, weil Max recht schnell geht. «Aber ich bin definitiv nicht der Ansicht, dass menschliche Knochen niemals ausgegraben werden dürfen. Man kann so viel daraus lernen.»
    «Schon», sagt Max. «Aber was machen wir dann mit diesem Wissen? Das ist doch die eigentliche Frage.»
     
    Die Nachmittagsveranstaltung, die von Bob Woonunga geleitet wird, erweist sich als absolut fesselnd. Die Herbstsonne steht bereits tief vor dem Fenster. Bob setzt sich, in seinem Umhang, der offenbar aus Opossum-Fell besteht, mitten im Raum auf den Boden. Einer nach dem anderen stehen auch die Zuhörer von ihren Stühlen auf und setzen sich im Kreis um ihn herum. Ruth wird eng an Max und Klaudia

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