Am Montag flog der Rabbi ab
einer Woche in die Staaten zurück.»
Diesmal verlor Gittel die Fassung. «Aber du hast doch gesagt …»
«Dass David hier bleiben will? Davon bin ich nach wie vor überzeugt, aber er weiß, dass er zurück muss. Tief im Innern hat er es die ganze Zeit über gewusst.»
«Es war einsam hier, seit Uri beim Militär ist», sagte Gittel traurig, «und ich hatte gehofft, endlich würde ich eine Familie haben – die ich besuchen, der ich helfen kann. Und jetzt geht ihr weg, Uri wird heiraten, und ich bin dann noch mehr allein.»
Impulsiv setzte sich Miriam neben Gittel und legte den Arm um sie. «Nicht traurig sein, Gittel, wir kommen regelmäßig wieder – um uns zu entspannen, zu regenerieren, zu stärken.»
«Ich bin wirklich traurig», gab Gittel zu, «aber euretwegen. Ein trauriger Gedanke, dass ihr ins Exil zurückgeht, wenn ihr hier im Gelobten Land hättet bleiben können. Dein David ist ein gescheiter Mann. Vielleicht kann er es beim nächsten Mal einrichten, dass ihr hier bleibt.»
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«Als ich dein Telegramm bekam, war ich fest überzeugt, dass du eine Frau mit nach Hause bringst», sagte Betty Deutch, als sie ihren Wagen geschickt vom Flugplatz zur Autostraße nach Barnard’s Crossing steuerte. «Du hast telegraphiert ‹ Wir kommen an› statt bloß ‹Ankomme›. Zwei Worte zusätzlich zu verschwenden, kam mir für dich sehr atypisch vor. Und dann dachte ich, du wolltest mich auf diese Weise vorwarnen, dass du mit einer Frau kommst, die du aufgegabelt hast oder die dich aufgegabelt hat.»
Stedman lachte. «Sehr scharfsinnig, Bet, aber damit war keine Frau gemeint, sondern Roy. Ich hatte vor, für ungefähr eine Woche mit ihm hierher zu kommen. Aber Laura hat uns am Kennedy Airport abgeholt, und Roy beschloss, zuerst mit ihr nach Hause zu fahren.»
«Ich hätte ihn liebend gern eine Weile bei uns gehabt. Du weißt doch, wie ich an ihm hänge, Dan.»
«Na ja, er ist dein einziger Neffe …»
«Wenn du keine eigenen Kinder hast, bedeutet dir ein Neffe, selbst ein einziger, mehr als nur das …»
«Na, er wird zu einem netten ausgedehnten Besuch herkommen, wenn er alles geregelt hat», versprach er.
«Wunderbar. Er muss schwer geschuftet haben, um so frühzeitig fertig zu werden. Hat er seine Prüfungen schon gemacht?»
«Nein. Da gab’s ein ziemliches Durcheinander …»
«Es ist doch alles in Ordnung mit ihm, oder?», fragte sie hastig. «Er ist nicht krank geworden oder sonst was?»
«Keine Spur. Es geht ihm prächtig. Zu Hause erzähle ich dir alles. Hat ja keinen Sinn, wenn ich Hugo das Ganze noch mal vorbeten muss. Wie geht’s ihm übrigens?»
Sie hätte lieber weiter über ihren Neffen gesprochen, doch sie kannte ihren Bruder und wusste, dass er sich nicht dirigieren ließ. «Hugo ist bei guter Gesundheit. Er ist immer bei guter Gesundheit, aber er kann zuweilen sehr enervierend sein.»
Sie war ihrem Mann gegenüber äußerst loyal, jedoch nicht blind für seine Fehler. Zu einem Außenstehenden würde sie niemals davon sprechen, aber bei ihrem Bruder hatte sie in der Beziehung keine Hemmungen.
«Es ist schwer, mit einem Rabbi verheiratet zu sein; sie sind soviel daheim, immer um einen rum und im Wege. Und dann kann man nie wissen, wann sie zu irgendeiner speziellen Versammlung rasen müssen, vielleicht als Vertretung für einen Redner, der nicht erschienen ist. Da bereitet man also ein erstklassiges Dinner vor und plant, danach ins Kino zu gehen. Was geschieht? Man muss allein essen und sich hinterher mit Fernsehen begnügen. Oder es kreuzt ein Junge auf, der Probleme hat und darüber reden will. Und das muss natürlich auf der Stelle sein, weil er sonst von zu Hause weglaufen, Selbstmord begehen oder mit einem völlig unmöglichen Mädchen durchbrennen würde. Und was tut man? Man sitzt da und wartet, während das ganze Dinner verdirbt, und überlegt, ob man allein essen soll. Dabei horcht man auf das Stimmengemurmel im Arbeitszimmer und versucht zu erraten, ob sie allmählich zum Ende kommen oder noch eine Weile weiterpalavern.»
Stedman lachte. «Aber daran solltest du doch inzwischen wirklich gewöhnt sein.»
«An manche Dinge gewöhnt man sich nie. Wenn der Braten zu hart wird, nützt es einem gar nichts, sich daran zu erinnern, dass es letzte Woche dasselbe war. Was ich aber eigentlich sagen wollte, ist was anderes. Das alles ist nichts im Vergleich dazu, wenn man mit einem Rabbi zusammenlebt, der nicht im Amt ist. Als Hugo sich zur Ruhe setzte, war er voller Ehrgeiz. Er
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