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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Gesichte.
    »Nun, Matwei?« fragte er und wiegte den Kopf hin und her.
    »Das ist weiter nicht schlimm, gnädiger Herr; es wird sich schon alles wieder einrenken«, erwiderte Matwei.
    »Du meinst, es wird sich wieder einrenken?«
    »Ganz gewiß.«
    »Meinst du? Wer ist denn da?« fragte Stepan Arkadjewitsch, da er auf der anderen Seite der ein wenig geöffneten
    Tür das Rascheln von Frauenkleidern hörte.
    »Ich bin es«, sagte eine fest und angenehm klingende weibliche Stimme, und in der Tür erschien das ernste,
    pockennarbige Gesicht der alten Kinderfrau Matrona Filimonowna.
    »Nun, was gibt es, liebe Matrona?« fragte Stepan Arkadjewitsch, indem er zu ihr an die Tür trat.
    Obgleich Stepan Arkadjewitsch seiner Frau gegen über durchaus im Unrecht war und dies selbst fühlte, waren doch
    fast alle im Hause auf seiner Seite, sogar die Kinderfrau, die sich mit Darja Alexandrowna außerordentlich gut
    stand.
    »Nun, was gibt es?« fragte er in bedrücktem Tone.
    »Sie sollten doch noch einmal hingehen, gnädiger Herr, und sich schuldig bekennen. Vielleicht hilft Gott. Sie
    quält sich sehr, es ist kläglich anzusehen, und im Hause geht alles drunter und drüber. Die Kinder, gnädiger Herr,
    die Kinder können einem leid tun. Bekennen Sie sich schuldig, gnädiger Herr! Was können Sie auch sonst tun? Wenn
    man etwas erreichen will, darf man sich keine Mühe verdrießen lassen.«
    »Aber sie wird mich gar nicht empfangen!«
    »Tun Sie nur das Ihrige! Gott ist barmherzig; beten Sie zu Gott, gnädiger Herr, beten Sie zu Gott!«
    »Na schön, geh nur!« antwortete Stepan Arkadjewitsch; er war auf einmal ganz rot geworden. »Nun, dann hilf mir
    beim Ankleiden«, wandte er sich an Matwei und warf mit einer entschlossenen Bewegung den Schlafrock ab.
    Matwei hielt bereits das Hemd, von dem er etwas Unsichtbares wegblies, in Form eines Kumtes zum Überstreifen
    bereit und hüllte mit sichtlichem Vergnügen den wohlgepflegten Körper seines Herrn darin ein.

3
    Nach dem Ankleiden besprengte sich Stepan Arkadjewitsch mit Parfüm, zupfte die Manschetten zurecht, steckte mit
    den ihm geläufigen Bewegungen in die einzelnen Taschen die Zigaretten, die Brieftasche, die Zündhölzer, die Uhr mit
    doppelter Kette und Berlocken, schüttelte das Taschentuch auseinander und fühlte sich nun sauber, wohlduftend,
    gesund und körperlich munter, trotz seinem Unglück. Auf jedem Bein sich ein wenig hin und her wiegend, ging er in
    das Eßzimmer, wo der Kaffee bereits auf ihn wartete und neben dem Kaffeegeschirr seine Briefe und die von der
    Behörde eingelaufenen Akten lagen.
    Er las die Briefe. Einer darunter war ihm recht unwillkommen – von dem Händler, mit dem er wegen des Verkaufes
    eines Waldes auf dem Gute seiner Frau in Unterhandlung stand. Er mußte diesen Wald unbedingt verkaufen; aber jetzt,
    vor einer Versöhnung mit seiner Frau, konnte davon nicht die Rede sein. Am peinlichsten war ihm dabei, daß sich auf
    diese Weise Geldfragen in das bevorstehende Werk seiner Versöhnung mit seiner Frau hineinmischten. Und der Gedanke,
    daß es scheinen könnte, als lasse er sich von diesem Interesse leiten und als veranlasse ihn die Aussicht auf den
    Verkauf dieses Waldes, die Versöhnung mit seiner Frau anzustreben, dieser Gedanke hatte für ihn geradezu etwas
    Beleidigendes.
    Als Stepan Arkadjewitsch mit den Briefen fertig war, zog er die Akten zu sich heran, durchblätterte schnell zwei
    Sachen und machte darin mit einem großen Bleistift ein paar Bemerkungen. Darauf schob er die Akten wieder zur Seite
    und machte sich an seinen Kaffee; während des Kaffeetrinkens breitete er die noch feuchte Morgenzeitung auseinander
    und begann sie zu lesen.
    Stepan Arkadjewitsch hielt und las eine liberale Zeitung, nicht ein extremes Blatt, sondern von der Richtung, zu
    der sich die Mehrheit des gebildeten Publikums bekannte. Und obgleich weder Wissenschaft noch Kunst, noch Politik
    ihn sonderlich interessierten, so hielt er doch auf allen diesen Gebieten energisch an den Anschauungen fest, denen
    die Mehrheit und seine Zeitung anhingen, und änderte diese Anschauungen nur dann, wenn auch die Mehrheit das
    gleiche tat, oder, richtiger gesagt, er änderte sie nicht, sondern sie änderten sich von selbst unvermerkt in
    seinem Geiste.
    Stepan Arkadjewitsch wählte sich weder seine Grundsätze noch seine Ansichten aus, sondern diese Grundsätze und
    Ansichten kamen von selbst zu ihm, ganz ebenso, wie er die Formen seines Hutes oder seines Rockes nicht

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