Astrilandis Buch 1
obwohl der die Ammen mehrmals ausgetauscht hatte, war es Hero jedes Mal aufs Neue gelungen, das Herz dieser Frauen zu erobern. Sie konnten ihm keinen Wunsch abschlagen, im Gegenteil, sie verwöhnten ihn zusätzlich mit kleinen Geschenken. Er war kein Kind mehr und sein Körper war muskulös, er hatte Kraft und Ausdauer, wie ihm Krotos, Heros Lehrer, immer wieder bestätigte, aber er gab zu leicht nach und im Kampf mit seinen Freunden achtete er darauf, sie nicht zu verletzen, was ihn selbst oft in eine schwierige Lage brachte. Hero fühlte sich mit jeder lebenden Kreatur verbunden. Sein Pferd bekam nie die Peitsche zu spüren und die Sklaven nahmen sich ihm gegenüber Frechheiten heraus, für die Pantheer sie bestrafen musste. Er hatte schon mehr als einmal bereut, Heros Mutter zurück auf die Insel Miatris gelassen zu haben. Vielleicht wäre sie dazu in der Lage gewesen, einen Herrscher zu erziehen.
Hero stand noch immer mit hängenden Armen neben seinem Vater an der Steinbrüstung, unter der die Felswand steil zum Meer abfiel. Mitten im Meer, fern im Dunst leuchtete der Kegel von Miatris in der Sonne. Dieser erloschene Vulkan, der so unvermittelt steil aus dem Meer aufragte, beherbergte den Palast des Inselstaates, der in der Tiefe des Kraters eingebettet war. Hero zeigte mit ausgestrecktem Arm in diese Richtung und fragte mit belegter Stimme:
„Vater, wann fahren wir endlich dort hinüber?“ Pantheer wandte sich seinem Sohn wieder zu und antwortete:
„Ich weiß, dass ich dir das schon lange versprochen habe, aber die Hohen Priester warnen uns vor dieser Fahrt. Und wie du weißt, hören wir auf die Stimmen der Götter und fordern ihren Zorn nicht unnötig heraus. Es sind schon viel zu viele unseres Volkes auf dem Meer untergegangen und wir wollen ein günstiges Orakel abwarten.“
Nach diesen Worten drehte Pantheer sich um und ging zurück in den Palast. Hero sah seinem Vater traurig nach, wie er mit großen Schritten fast lautlos die Treppen, immer zwei auf einmal nehmend, in der Tiefe des Palastes verschwand. So war es immer. Die Priester, das Orakel, das heilige Kristall, alle waren gegen ihn. Sein Vater vertraute diesen Priestern und nie konnte eine Entscheidung ohne die Befragung des Orakels gefällt werden. Hero ging nicht gerne in den Astrilus Tempel, die Weihrauchdämpfe verursachten ihm Übelkeit und Kopfschmerzen. Die langwierigen Sitzungen vor den steinernen Statuen und das einschläfernde Gemurmel der Priester langweilten ihn. Im Gegensatz zu seinem Vater vermied er es, die Hohen Priester um Rat zu fragen. Pantheer ging jeden Abend bei Sonnenuntergang in den Tempel, um die Götter milde zu stimmen.
Seit Pantheers Halbbruder Karikootos das Heiligtum, den kristallenen Schädel, aus dem Tempel gestohlen hatte, wagten die Priester keine langfristigen Vorhersagen mehr zu machen. Dieser Schädel war ein Geschenk der Götter, das bei allen Tempelfesten und in Krisenzeiten zuverlässig die Zukunft des Reiches vorher gesagt hatte. Da er verschwunden war, besuchte Pantheer immer häufiger die weisen Frauen des Orakels von Tondoros. Doch die Frauen fürchteten ihn, da er unberechenbar und jähzornig war, deshalb wagten sie nicht, ihm die Wahrheit zu sagen, was die Götter für ihn vorgesehen hatten. Hero befragte lieber seine Amme Amira, die immer einen guten Rat für ihn parat hatte.
Mit einem letzten sehnsuchtsvollen Blick auf die Insel Miatris, löste sich Hero von der Felsbrüstung und folgte zunächst seinem Vater, um dann in den Gang zu seinem Raum abzubiegen. Er musste sofort seiner Amme erzählen, dass er den Wolf wirklich bekommen würde und auch Pantheer nichts dagegen hatte. Er konnte es kaum glauben, dass sein Vater so gelassen reagiert hatte. Doch woher wusste er nur von Heros Plänen?
Amira war nicht in seiner Kammer, wo sie für Ordnung sorgte, wenn Hero sie verlassen hatte. Ach ja richtig, fiel es Hero ein, die Amme war weinend weggelaufen, als sein Vater die Sklaven bestraft hatte. Vielleicht hatte er sie auch geschlagen, ging es ihm durch den Sinn. Er würde sie sofort in der kleinen Siedlung unterhalb des Palastes suchen. Dort lebte Amiras Familie in einer kleinen Hütte, die er noch nie betreten hatte. Amira hatte es ihm verboten. Sie wollte nicht, dass Hero sah, in welch ärmlichen Verhältnissen sie mit ihren Kindern lebte, die sie seit dem Tod ihres Mannes allein versorgen und aufziehen musste. Obwohl sie für ihre Dienste bei Hero großzügig entlohnt wurde, war das Geld für die
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