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Auf dem Zeitstrom

Auf dem Zeitstrom

Titel: Auf dem Zeitstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
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kämpfte. Dann traf ich Fäm und wir wurden Kumpelf.«
    Eine Weile schwiegen sie. Joe hob sein Glas an seine Schimpansenlippen und leerte es mit einem Zug. Bewegt sahen die anderen ihn an. Das einzige Licht, das jetzt noch zu erkennen war, kam von den glühenden Enden ihrer Zigarrenspitzen.
    Schließlich sagte von Richthofen: »Dieser Mann, von dem du sagtest, er hätte ein Stirnband mit einer stilisierten Sonne getragen… Wie, sagtest du, war sein Name?«
    »Feinen Namen habe ich gar nicht erwähnt.«
    »Aber wie hieß er?«
    »Echnaton. Fäm weif mehr über ihn alf ich, obwohl ich faft vier Jahre mit ihm fufammen war. Fumindeft behauptet Fäm daf. Aber…« – Joe grinste plötzlich wie ein selbstzufriedener Faun – »… ich kannte den Mann perförtlich. Waf Fäm über ihn behauptet, find lediglich fogenannte hiftorife Tatfachen.«
     

7
     
    Von Richthofen wünschte ihnen eine gute Nacht und ging unter Deck. Sam stand auf, lief auf und ab und hielt nur einmal an, um dem Steuermann Feuer für seine Zigarre zu geben. Obwohl er wirklich müde war, würde er noch nicht einschlafen können. Die Schlaflosigkeit plagte ihn nun schon seit Jahren; sie donnerte durch sein Gehirn wie ein wilder Mustang, dem es völlig gleichgültig war, daß ein menschlicher Körper hin und wieder Ruhe brauchte.
    Joe Miller lehnte sich mit dem Rücken gegen die Reling und wartete darauf, daß sein Freund – der einzige Mensch, den er liebte und zu dem er Vertrauen hatte – mit ihm hinunterging. Dann fiel plötzlich sein Kopf nach vorne. Seine Nase beschrieb, hervorgerufen durch diese Bewegung, einen Halbkreis, und er stieß ein lautes Schnarchen aus. Der Lärm, den er erzeugte, war so stark, daß man wahrhaft glauben konnte, in unmittelbarer Nähe des Schiffes würden Bäume abgesägt: Mammutbäume splitterten, knirschten und brachen. Tiefe Seufzer, Grunzer und Schmatzer aus Joes Kehle wechselten sich ab mit den Geräuschen, die die vermeintlichen Holzfäller erzeugten.
    »Schlaf gut, Kumpel«, murmelte Sam, der wußte, daß Joe nun von der nicht mehr existierenden Erde, auf der Mammuts, gigantische Bären und Löwen brüllten und – nach seinem Verständnis – wunderschöne Frauen ihm eindeutige Angebote machten, träumte. Als er leise seufzte und anschließend ein Winseln ausstieß, wußte Sam, daß Joe nun wieder mit dem Bären rang, der sich in seinen Fuß verbissen hatte. Der Fuß schmerzte ihn immer noch. Wie alle Wesen seiner Art war Joe einfach zu schwer gebaut, um sich über längere Strecken hinweg auf zwei Beinen fortzubewegen. Er war das Produkt eines Experiments der Natur, die schließlich dann doch eingesehen hatte, daß es Wesen seiner Art niemals vergönnt sein würde, über längere Zeit über den Planeten Erde zu herrschen.
    »Der Aufstieg und Untergang der Plattfüßler«, sagte Sam. »Auch das ist einer von den Artikeln, die ich niemals mehr schreiben werde.«
    Er seufzte ebenfalls, aber das Geräusch, das sich seiner Kehle entrang, war nur ein schwacher Abklatsch dessen, den Joe erzeugt hatte. Wieder sah er Livys zur Hälfte zerschmetterten Körper neben sich liegen, den die Wellen ihm für ein paar Sekunden zugespült hatten, um sie kurz darauf wieder mit sich zu nehmen. Ob die Frau überhaupt Livy gewesen war? Hatte er sich nicht bereits vor diesem Zusammentreffen mindestens ein Dutzend Mal eingebildet, sie durch sein Teleskop irgendwo am Ufer gesehen zu haben? Und jedes Mal, wenn es ihm schließlich gelungen war, Blutaxt dazu zu überreden, das Schiff anlegen zu lassen, um sich die Frauen aus unmittelbarer Nähe anzusehen, hatte er eine Enttäuschung erlebt. An sich gab es keinen Grund zu glauben, daß es diesmal wirklich seine Livy gewesen war.
    Er seufzte erneut. Angenommen, sie war es doch gewesen, wäre das nicht eine ungeheure Ironie des Schicksals? Ihr so nahe gekommen zu sein und sie dann doch auf eine solch schreckliche Weise zu verlieren! Fünf Minuten bevor er sich vielleicht wieder mit ihr zusammengetan hätte. Statt dessen hatte sie neben ihm auf den Schiffsplanken gelegen, als ob die Götter – oder welche boshaften Kräfte auch immer das Universum regierten – zu ihm hätten sagen wollen: »Sieh her, wie nahe du ihr gekommen bist! Und jetzt leide, du unwürdige Ansammlung von Atomen! Fühle den Schmerz, du Wicht! Mit deinen Tränen und deiner Qual sollst du für alles bezahlen!«
    »Zahlen, wofür?« murmelte Sam und schlug die Zähne heftig in seine Zigarre. »Für welche Verbrechen soll ich

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