Aufbruch der Barbaren
Magh’Ullan keine Antwort gab.
»Der Kampf mit deinen Dienern ist an mir nicht ohne Spuren geblieben. Ich bedarf seiner Kräfte.«
Der Priester zögerte, dann nickte er und winkte dem Vogt. Als dieser mit den Lorvanern aus der Halle verschwunden war, zogen sich auch die Krieger zwischen den Säulen zurück. Aber Magh’Ullan sah aus den Augenwinkeln, daß sie nicht in der Dunkelheit verschwanden, sondern daß sie sich auflösten wie Rauch. Er sah es nur einen Atemzug lang, aber er wußte, daß er sich nicht geirrt hatte, denn Juccru hatte es ebenfalls gesehen, dem Grauen in seiner Miene nach zu schließen. Wenn sich der Caer der Magie bediente, war es möglich, daß er keine wirklichen Helfer mehr hatte. Seine Besessenen waren im Wald gefallen; seine Caer-Krieger mochte er an der Furt geopfert haben.
»Nun?« sagte der Caer ungeduldig. »Was will der Verräter mir sagen, das ich seinem Geist nicht auch nehmen könnte?«
»Mein Name ist Urgat«, begann Magh’Ullan. »Ich kenne diesen Ort so gut wie keiner sonst. Der Vater meines Vaters hat hier einem Herrn gedient, der ein Meister der Magie war und ein großer Kriegsherr. Er hieß Magh’Ullan…«
»Magh’Ullan!« stieß der Caer hervor, aber es konnte nicht der Caer selbst sein, denn dieser wußte nichts von Magh’Ullan. Es mußte Duldamuur sein, der Dämon, von dem er besessen war.
»Ah, ich sehe, du kennst Magh’Ullan«, fuhr Urgat-Magh’Ullan fort. »Gut. So weißt du, daß ich die Wahrheit sage. Ich weiß, daß es eine geheime Kammer gibt in dieser Festung, in der die Schätze der Alptraumritter liegen. Ich kam her, um sie zu plündern.« Er sprach rasch, um dem Caer und seinem Dämon keine Zeit zum Nachdenken zu geben. »Für mein Leben und das meiner Gefährten will ich dir die Kammer zeigen und du magst dir nehmen, was du begehrst. Nur um eines bitte ich dich. Unter den Schätzen befindet sich ein Vlies, wie seinesgleichen noch nie jemand gesehen hat. Es verleiht dem Träger Unsterblichkeit. Ich muß es besitzen! Zu lange habe ich davon geträumt!«
»Woher weißt du, daß es noch hier ist?«
Magh’Ullan atmete innerlich auf. Das Interesse des Dämons und seines Priesters war geweckt. Nun galt es, geschickt zu sein. Wenn die Falle mißlang, würden sie alle ein schreckliches Ende nehmen.
»Du hast es nicht gefunden, sonst wärst du nicht neugierig«, erklärte Magh’Ullan. »Nur wenige wissen von dieser Kammer…«
»Wenn es solch ein Geheimnis war, weshalb sollte es Magh’Ullan einem Wildländer anvertraut haben?«
Magh’Ullan zuckte die Schultern. »Das weiß ich nicht.«
Das rot-silberne Gesicht nickte nach einem Augenblick. »Zeig mir die Kammer.«
»Und das Vlies? Habe ich dein Wort?«
»Du hast Duldamuurs Wort.«
Magh’Ullan nickte. Als er voranging, grinste er Juccru von der Seite beruhigend zu. Das Wort eines Dämons! Es wäre das erstmal, daß einer einem Menschen eines gäbe oder gar hielte.
Das Mädchen kam mit dem Licht an seine Seite. Er versuchte in ihrem ausdruckslosen Gesicht zu lesen.
»Arline«, flüsterte er, daß nur sie es hören konnte.
Ihr Gesicht wandte sich ihm langsam zu mit dem verlorenen Blick eines Menschen, der in alten, vergessen geglaubten Erinnerungen sucht.
»Arline«, wiederholten ihre Lippen lautlos. Aber dann wurde ihr Gesicht wieder ausdruckslos.
Urgat Magh’Ullans Herz aber schlug heftiger. Er könnte mehr wecken in ihr. Sie einen Augenblick lang mit wachem Geist zu sehen… Ihr Götter Gorgans! Weshalb weiß die Schwarze Magie soviel über das Leben, und weshalb ist den Dienern des Lichtes noch so wenig enthüllt?
*
Als die Lorvaner die Halle verlassen hatten, merkten auch sie, daß die Krieger ihnen nicht folgten. Nur der Vogt war bei ihnen und schritt voran, ohne sich umzusehen, ob sie ihm folgten.
»Jetzt!« flüsterte Lella und zog ihr kurzes Schwert. »Wenn wir jetzt zuschlagen…« Auch die anderen waren bereit.
Nottr schüttelte den Kopf. Mit lauter Stimme sagte er: »Magh’Ullan will keinen Kampf. Wir warten auf sein Zeichen.«
Während ihn die Lorvaner, außer Lella, verwundert anstarrten, wandte sich der Vogt langsam um, und sein Totengesicht richtete sich mit einem gespenstisch lebendigem Blick auf Nottr.
»Wer spricht von Magh’Ullan«, sagte er schnarrend.
Die Lorvaner wichen schaudernd zurück. Nur Nottr stand herausfordernd. »Ich rede von deinem Herrn Magh’Ullan«, sagte er. »Es scheint, daß sein treuester Gefolgsmann ihn vergessen hat…«
»Nein… nein…
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