0132 - Der Schwarze Graf
Die Tragödie bahnte sich an, denn keine zehn Meter mehr entfernt bewegte sich jemand auf den Mann zu. Der Tod!
Hätte er doch bloß im Freien übernachtet und nicht in dieser verdammten Ruine!
In panischer Hast tastete sich der junge Tourist an der steinigen Wand entlang in Richtung Ausgang, denn inzwischen herrschte stockfinstere Nacht. Er kratzte sich die Hände blutig, stieß mehrere Male hart gegen irgendwelche Vorsprünge, doch das war ihm egal. Er mußte raus hier, nur weg von dieser Stätte, die so plötzlich eiskaltes Grauen in ihm wühlen ließ.
Drei Tage lang war der junge Deutsche die bewaldeten Höhen des Etschtales entlanggewandert, ohne auch nur einer Menschenseele begegnet zu sein.
Am nächsten Morgen wollte er wieder hinunter ins Dorf. Doch diesen vierten Tag seiner einsamen Bergtour sollte es nicht mehr geben…
Er spürte es zwar, konnte aber in der Dunkelheit nicht erkennen, was da auf einmal hinter ihm stand.
Der Mann kam nicht mehr dazu, aufzuschreien. Blitzschnell war das Ungeheuer da und schlug zu.
Der junge Mann hatte keine Chance.
Steif fiel er zu Boden. Sein Leben erlosch im gleichen Augenblick…
***
Pierre Duval trug zwar den gleichen Nachnamen wie Nicole, die hübsche Sekretärin und Freundin Zamorras, doch damit erschöpften sich auch schon die Gemeinsamkeiten.
Klein und unscheinbar versuchte er, wenigstens in seinem Urlaub durch extravagante, modische Kleidung und durch einen teuren Sportflitzer Aufsehen zu erregen. Daß ihn dieser Leihwagen ein Heidengeld kostete, schien ihn nicht weiter zu stören. Hauptsache, der gewünschte Erfolg stellte sich ein. Ob schwarzhaarig, rot oder blond - sie mußten nur ein bißchen nett zu ihm sein.
Duval war nicht undankbar - die Schöne kam in den Genuß seiner übertriebenen, an Verschwendungssucht grenzenden Großzügigkeit.
Dies alles brachte dem Franzosen so manchen raschen Erfolg ein, auch wenn er, war sein Urlaub erst einmal zu Ende, wieder sein Mauerblümchendasein zu Hause in Reims fristen mußte. Dann fing das Sparen wieder an. Für den nächsten Urlaub. Aber das war es ganz bestimmt nicht, was ihn im Moment am meisten beschäftigte.
Erst seit ein paar Tagen war er hier in Südtirol, in diesem abgelegenen Nest Borlezzo, das für ihn eigentlich nur Station sein sollte, als er Marie Bergner traf, seine neueste Eroberung.
Sie bot einen ausgesprochen reizvollen Anblick, stellte Duval zufrieden fest, nachdem er minutenlang mit unverhohlener Gier auf ihren schlanken Körper gestarrt hatte, von dem der knappe Bikini aufregend wenig verbarg.
Marie kam aus München, wo sie als Fremdsprachenkorrespondentin tätig war, und zumindest auf sprachlichem Gebiet gab es mit Duval nicht die geringsten Verständigungsschwierigkeiten, denn Englisch und Französisch beherrschte sie perfekt.
Auch Marie machte nur Station in Borlezzo. Dann sollte es in diesem Jahr nach Sizilien weitergehen, wo Fred sie erwartete. Fred, ihr Verlobter.
Aber das brauchte sie dem Franzosen ja nicht unbedingt auf die Nase zu binden. Der Ring war jedenfalls vorsorglich in ihrer Handtasche verschwunden.
Solange Duval seine Großzügigkeit bewahrte, wollte sie auch nicht kleinlich sein.
Obwohl er nicht gerade ein gutaussehender Mann war und es in gar keiner Beziehung mit Fred aufnehmen konnte, so war er in seiner aufgekratzten Urlaubsstimmung doch ganz unterhaltsam, fand Marie.
Und eben sehr freigiebig.
Duval stieg gerade triefend aus dem Schwimmbecken des recht kleinen »Lido de Borlezzo«. Er hopste, um die Wassertropfen abzuschütteln, mit nicht gerade eleganten Sprüngen zu Marie hinüber und legte sich, nachdem er seine spärlichen Haare zurückgekämmt hatte, neben seine attraktive Begleiterin auf das große, knallrote Badetuch in die Mittagshitze. Wie zufällig warf er dabei einen Blick zum Himmel und blinzelte in die pralle Sonne, als ihm graugelbe Wolken am Horizont auffielen, die sprichwörtlich in Windeseile entlang der Dolomiten zum Etschtal herüberzogen.
Fast schien es, als triebe eine fremde Macht sie mit besonderer Geschwindigkeit genau auf Borlezzo zu… Plötzlich kam dem Franzosen eine Idee. Jetzt schien ihm endlich die Gelegenheit günstig, einen Plan in die Tat umzusetzen, den er schon hatte, seit ihm vor ein paar Tagen die hoch über dem Dorf stehende Ruine einer offenbar uralten Burg, majestätisch schön und drohend zugleich, aufgefallen war.
Er wandte Marie Bergner sein rundes Gesicht zu. »Komm, wir verschwinden. Ich glaube, es zieht ein
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