Aussicht auf Sternschnuppen
die einzelnen Schlangen gequetscht.
Während trotz der ganzen Verwobenheit vor den Bahnschaltern und Autovermietungen noch eine gewisse chaotische Ordnung zu erkennen war, bot sich uns vor den beiden Abflugtafeln und dem Infopoint ein ganz anderes Bild: Dort hatte sich ein gigantischer unorganisierter Pulk gebildet und von resignativer Ruhe war nichts zu bemerken. Alle Reisenden schienen aufgeregt durcheinander zu reden und gestikulierten wild mit ihren Händen in der Luft herum.
Fee versuchte neben mir erfolglos, über den bestimmt fünf Meter langen Menschenteppich hinweg einen Blick auf eine Anzeigentafel zu werfen. Ich hatte weniger Probleme. Manchmal war es doch von Vorteil, ein knapp 1,80 m großer, ungelenker Lulatsch zu sein. Der Grund für die ganze Aufregung blinkte mir, ohne dass ich mich auf die Zehenspitzen stellen musste, sofort entgegen: cancelled stand hinter allen Flügen auf der Anzeigentafel. Die Aschewolke hatte uns schneller erreicht als zunächst angenommen.
Ich taumelte zur Seite. Ein junger Mann mit kurzem Bürstenschnitt und roten abstehenden Ohren hatte mich umgestoßen. Er entschuldigte sich kurz und flitzte dann weiter, mit der rechten Hand hielt er ein zerknittertes Blatt nach oben. „Wer möchte sich mit mir ein Taxi nach Stockholm teilen?“, stand darauf.
„Was ist los?“, fragte Fee.
Ich drehte mich zu ihr um. „Alle Flüge heute sind auf unbestimmte Zeit gestrichen.“
„Nein!“ Sie starrte mich an. „Das hat mir gerade noch gefehlt! Was mache ich denn, wenn morgen immer noch nichts fliegt? Ich muss mit drei Teenies nach New York. Wir drehen A Star for Two Days . Seit Monaten plane ich dieses Projekt und habe schon tausend Termine mit Designern, Make up-Artists und Stars gemacht. So ein Mist!“ Fee ließ den Kopf hängen.
„Jetzt warte doch erst einmal ab. Und wenn alle Stricke reißen und der Luftraum morgen immer noch gesperrt ist, kannst du den Dreh bestimmt verschieben.“
„Den Dreh schon, aber die Treffen mit den Stars nicht. Den Termin mit Patricia Fields habe ich schon vor einem halben Jahr ausgemacht. So schnell bekomme ich keinen neuen. Aber …“, sie schüttelte sich kurz, „jetzt kümmern wir uns erst einmal um dich. Wenn heute kein Flieger mehr geht, dann kommt Giuseppe auch nicht nach Italien. Er ist bestimmt schon wieder auf dem Weg nach Hause. Soll ich dich dorthin fahren?“
Daran hatte ich noch gar nicht gedacht: Die Aschewolke hatte wahrscheinlich nicht nur Fees Projekt scheitern lassen, sondern auch Giuseppes Geschäftsreise vereitelt. Das ganze Drama nahm also höchstwahrscheinlich ein ganz unspektakuläres Ende.
Wir verließen das Flughafengebäude und passierten die automatischen Schwingtüren. Ich wollte so schnell wie möglich wieder zurück in meine Wohnung.
Auf einmal blieb Fee so abrupt stehen, dass ich mit ihr zusammenprallte. „Da!“ Sie zeigte nach rechts, wo etwa fünf Meter weiter Giuseppe zusammen mit einem ausgesprochen hübschen dunkelhaarigen Mädchen in einem beigefarbenen Mantel aus dem Terminal herauskam. Ich sprang hinter das einzige Taxi, das auf dem Seitenstreifen parkte, und zog Fee hinter her.
Gerade als die beiden an uns vorbeigingen, sagte die junge Frau etwas zu Giuseppe, was ich nicht verstand und schwenkte dabei fröhlich ihre riesige Handtasche. Giuseppe lächelte sie glücklich an.
Oh Gott, sie war noch so jung! Höchstens 25! Mein Magen verkrampfte sich.
„Ich glaube es nicht. Sie hat die Kelly Bag von Hermès“, murmelte Fee neben mir. „Für die gibt es eine Warteliste.“
„Ach, halt’ den Mund!“
Fee sah mich angesichts meiner ungewohnt heftigen Reaktion überrascht an.
Ich schäumte vor Wut. „Der spinnt wohl. Mir erzählt er, dass er auf Geschäftsreise geht und in Wahrheit macht er sich mit diesem Kind davon. Aber mit mir nicht!“
Die Augen fest auf das vorbeischlendernde Paar gerichtet, meine Handtasche drohend erhoben, schob ich mich an Fee vorbei. Doch sie hielt mich zurück.
„Helga! Warte! Du willst ihm doch nicht wirklich deine Tasche überziehen?“
„Warum nicht? Das hast du doch von mir verlangt.“ Ich schob mein Kinn angriffslustig nach vorne und schüttelte ihre Hand ab.
„Aber das habe ich doch nicht ernst gemeint! Das war mehr symbolisch zu verstehen. Ist doch irgendwie peinlich. Vor allen Leuten.“ Sie sah mir fest in die Augen.
Ich hielt inne und schaute unsicher zu Giuseppe und dem Mädchen hinüber. Fee hatte Recht. Es war eine Sache, meinem Freund in
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