Bauernopfer
gleich darauf verfiel er in einen schärferen Ton. »Sie hat nur wieder geflennt. Wie immer. Tausendmal hab ich diese Geschichte von der Rosa gehört und wie die Drecksau sie fertig gemacht hat. Und jedes Mal hat Ma geheult dabei.«
»Sie wollten also Ihre, äh, – Großcousine, oder? Also die Rosa halt – rächen, damit endlich Gerechtigkeit herrscht und ihre Mutter zufrieden sein kann?«, hakte Charly nach.
Fragend sah Flo ihn an. Es hatte sich fast angehört, als wolle der Kommissar ihm eine Brücke bauen mit einem Motiv für die Tat, das sich halbwegs ehrenhaft anhörte. Langsam nickte er.
»… und Ihre eigene Zukunft sichern«, setzte Charly hinzu.
»Pff …« Der Blick des jungen Mannes wanderte wieder zur Frontscheibe, wo die vereisten Wischer bogenförmige Schlieren zogen. Er durchdrang das Schneegestöber und fixierte einen imaginären Punkt in der Ferne. »Ich lass mir doch nicht alles kaputt machen, nur weil dieser sture Bauer seine blödsinnige Wiese nicht verkaufen will«, zischte er. »Wegen dem Idioten geht alles den Bach runter, obwohl’s ein blühendes Unternehmen sein könnt.« Nach einer kurzen Pause, während der man deutlich seinen stoßweisen Atem hörte, wandte er sich wieder Charly zu. Mit demselben höhnischen Grinsen wie zuvor und einem Blitzen in den strahlend blauen Augen verkündete er: »Ich studier doch nicht den ganzen Quatsch, damit ich mich später acht Stunden täglich in ein Büro setz und um jede fünf Euro Gehaltserhöhung und jeden Tag Urlaub betteln muss.«
Du sitzt die nächste Zeit ganz wo anders, dachte Charly.
Spät abends, nachdem die vordringlichsten Arbeiten erledigt waren und Florian Berthold fürs erste in der Arrestzelle saß, besuchte Charly die Schichtbeamten der Inspektion, um dem jungen Kommissar für seinen schnellen Einsatz zu danken.
»Du, Johannes, unter uns: Das mit der DNA war grenzwertig. Wir haben überhaupt keine offene DNA-Spur mehr am Tatort und so oft, wie ich dieses Golf-Teil jetzt schon in den Fingern gehabt hab, glaub ich nicht, dass wir da noch DNA vom Berthold runterbringen.«
»Das hab ich ja auch nie behauptet«, antwortete Johannes mit einem Grinsen. »Ich hab nur gefragt, ob er weiß, dass man fast überall DNA nachweisen kann. Den Rest hat sich der Berthold selber ausgedacht, so wie du.«
Mit einem Lächeln fuhr Charly nach Hause, wo ihn eine in Wolldecken gehüllte und vor dem Fernseher schlafende Petra erwartete, die nicht mehr in der Lage war, die Neuigkeiten entsprechend zu würdigen. Darum schenkte er sich ein Weißbier ein, strich sich ein Butterbrot, setzte sich an den wuchtigen Tisch im Esszimmer und genoss seine Gedanken für sich allein.
Montag, 10. November
Die kurzfristig angesetzte Pressekonferenz war gerade vorü ber und der Techniker des lokalen Fernsehsenders verpackte die Kameraausrüstung. Direktionsleiter Rubin, Dienststellenleiter Garn, Kommissariatsleiter Barsch, der Leiter der Pressestelle und der Leiter der Staatsanwaltschaft Dr. Brenneisen hatten der Hand voll Journalisten dargestellt, wie dieser sehr aufwendige und verzwickte Fall schließlich doch noch zu lösen war.
Charly hatte die Aktion als Zuschauer im Hintergrund verfolgt und sich sehr amüsiert. Denn genauso wie Frau Berthold bei ihrem Geständnis hatten auch Garn, Barsch und Brenneisen auf Fragen nach Details nur schwammige, ausweichende Antworten geben können. Garn verwies beharrlich auf »Kommissar Zufall«, der sehr bei der Aufklärung geholfen habe.
Charly vermied es tunlichst, seine Freude offen zu zeigen. Die Pressestelle war ohnehin schon sauer. Denn wieder einmal hatte Hubert Riederer aus irgendeiner Quelle Informationen vor den anderen Medien erhalten. Die offizielle Presseerklärung war erst am Montagmorgen an die Redaktionen versandt worden. Und so hatte der DonauKurier als einzige Zeitung in der Wochenendausgabe über die Festnahme und die endgültige Fallaufklärung berichten können.
Charly, Helmuth und Sandra hatten den ganzen Samstag auf der Dienststelle verbracht und den Haftbefehl gegen Florian Berthold vorbereitet, die Freilassung seiner Mutter betrieben und die dringendsten Arbeiten zur Aufbereitung des Falles erledigt. Am Samstag beim Frühstück hatte Petra die Neuigkeit doch noch entsprechend gewürdigt, ihrem Schatz einen dicken Kuss aufgedrückt und ihm gratuliert. Als Charly am Samstagabend nach Hause gekommen war, roch es bereits im Hof nach scharf angebratenem Fleisch, Bratkartoffeln mit Kümmel und der
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