Befreiung der Gesellschaft vom Staat. Was ist kommunistischer Anarchismus?, Die
tatfaul, freie und starke Naturen aber beschwingt werden. Der Klassenkampf ist ein vom Kapitalismus geschaffener Zustand; die Weigerung der Arbeiter, sich innerhalb der gegebenen Verhältnisse an diesem Kampf auch dann zu beteiligen, wenn dadurch unmittelbare revolutionäre Erfolge nicht erzielt werden können, hieße, dem Feinde den Rücken widerstandslos hinhalten, ihn allein den Klassenkampf führen lassen und dadurch die eigene Kraft für den Augenblick schwächen, wo der Zustand des Klassenkampfs in entscheidende Auseinandersetzung übergehen könnte.
Die anarchistische Lehre schreibt keine Kampfmethode vor und lehnt keine ab, die mit Selbstbestimmung und Freiwilligkeit in Einklang steht. So ist bei gewaltsamen Aufständen der Wille des einzelnen allein ausschlaggebend für die Art seiner Mitwirkung, auch dafür, ob und wie weit er sich in Kampfverbände eingliedern mag, deren Taktik in mancher Hinsicht von freiheitlichen Gesichtspunkten aus angreifbar ist. Es liegt nicht im Charakter eines jeden Menschen, bei großen Geschehnissen prüfend und nörgelnd abseits zu stehen, wenn nicht alles nach seinen Wünschen geschieht und lieber gar nichts zu tun als einem Kampfe beizustehen, der nicht überall vom rechten Geist erleuchtet ist. Noch immer, wo revolutionäre Kämpfe geführt wurden, waren die Anarchisten erfreulicherweise fast ausnahmslos dabei, an der Seite der Arbeiter, die zentralistischen Einflüssen unterstanden und autoritär mißleitet wurden. Hier entschied das sozialeZugehörigkeitsgefühl, das Bewußtsein der Gegenseitigkeitsverpflichtung aller Ausgebeuteten, der unbezähmbare Kampfwille, der es nicht erträgt, andere gegen den gemeinsamen Feind allein zu lassen und vor allem der Wunsch, den Mut, die Aufopferung, die Leidenschaft, die da, wenn auch vielleicht mit schiefer Zielsetzung, Herrliches leistete, mit freiheitlichem Schwung zu beseelen. Mag bei solchem Wollen mancher Anarchist ziemlich weit aus seiner eigenen Bahn geraten sein, er hätte an der anarchistischen Idee erst dann Verrat geübt, wenn er die Kämpfer mit schulmeisterlichen Ordnungsrufen im Kampfe behindert hätte. Die Freiheit ist kein mustergeschütztes Gut mit ringsum abgemessenen und abgewogenen Eigenschaften. Die Freiheit ist ein geistiger Lebenswert, der überall Zugang finden kann, wo Kraft in Bewegung gekommen ist. Aufgabe der Anarchisten ist, der Freiheit den Zugang zu schaffen, wo Menschen im Kampf stehen.
Von derselben Seite, die den Anarchisten die Enge ihres politischen Tätigkeitsfeldes glaubt zum Vorwurf machen zu sollen, weil sie die Vergeudung von proletarischen Kampfkräften in Stimmzettelhäufung als klassenkampfwidrig angreifen, wird ihnen eine bestimmte, in der Vergangenheit vielfach von Anarchisten angewendete Form des unmittelbaren Zufassens verübelt. Die gewaltsame Einzeltat , erklären die Marxisten, sei verwerflich, weil sie das planvolle Handeln der Massen im revolutionären Kampfe durchkreuze und infolgedessen den gegenrevolutionären Kräften willkommene Vorwände zu Vergeltungsmaßregeln liefere, so daß also die ganze Klasse für das Unternehmen eines einzelnen büßen müsse. Der Grund für diese Verurteilung individueller Tötungen, Brandlegungen, Enteignungen und ähnlicher Taten aus politischer Ueberzeugung ist sehr durchsichtig. Sie fließt durchaus nicht aus moralischen Bedenken, denen in der marxistischen Denkweise ja allenthalben nur eine sehr untergeordnete Rolle zukommt; auch wird von diesen Bekämpfern des individuellen Schreckens der Massenschrecken als politisches Kampfmittel ausdrücklich gebilligt. Es ist die Feindschaft autoritärer Zentralisten gegen jede selbstverantwortliche Regung einer nach eigenen Ueberlegungen handelnden Persönlichkeit, die sogar die Aufopferung des Lebens im Dienste der revolutionären Idee mißbilligt, wenn die Tat nicht von einer zentralen Obrigkeit beschlossen, befohlen und beaufsichtigt wird. Jedes Heraustreten eines einzelnen Menschen im Kampfe bedeutet eine vom Standpunkt des Herren-, Priester-, Vater- oder Zentrale-Denkens schädliche Minderung der beglaubigten Macht, bedeutet den Beweis, daß wirksame Taten auch auszuführen sind, wenn sie nicht von oben her gelenkt und berechnet sind. So blöde die Meinung ist, die individuelle Gewalt sei ein ausschließlich anarchistisches Werbemittel – in der neueren Zeit sind politische Morde fast nur von Nationalisten begangen worden –, ebenso blöde ist die Ansicht, sie könne im Klassenkampf keine Stätte
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