Befreiung der Gesellschaft vom Staat. Was ist kommunistischer Anarchismus?, Die
haben oder die Anarchisten hätten Anlaß, sich von den Gewalttätern aus ihren Reihen abzugrenzen. Hier entscheidet vollständig selbständig die Persönlichkeit über die Tat, und kommt die Persönlichkeit aus anarchistischer Ueberzeugung zum Beschluß und zur Ausführung, so unterliegt das Geschehen selbstverständlich der Beurteilung nach Zweckmäßigkeit und Erfolg, aber niemals der Verurteilung aus der Klassenkampfgesinnung heraus. Die anarchistische Freiheitslehre stellt das Recht der Persönlichkeit viel zu hoch, als daß sie es da, wo eine beleidigte Natur ihrem Gefühl den Ausdruck der Vergeltung gibt, wo ein freiheitlich gesinnter Mensch der Werbung, der Warnung, der Einschüchterung, des Trotzes wegen oder um ein Kampfzeichen zu geben mit einer aufschreckenden Tat vor die Welt tritt, verleugnen sollte. In dieser Betonung der Persönlichkeit liegt zugleich die heftige Zurückweisung der marxistischen Auffassung, Gewalttätigkeit werde dadurch gerechtfertigt, daß sie auf zentrale Weisung geübt werde. Gerade dann entsteht mechanische Gewalt, die Hand, die sie ausführt, ist bloßes Werkzeug, der Mensch, der sie begeht, bloßes Vollzugsorgan. Nur die Tat aber ist nach anarchistischer Denkart sittlich zu verantworten, die aus freiem Willen des Täters, nach der Erwägung im eigenen Hirn, aus der eigenen ernsthaft überprüften Ueberzeugung und unter Einsatz des eigenen Lebens dessen, der sie beschlossen hat, mit dem Bewußtsein unternommen wird, ein Werk gegenseitiger Hilfe, ein Werk brüderlicher Pflicht, ein Werk im Dienste der Idee und der Klasse zu verrichten. Ob es sich dabei um die Tat eines einzelnen, um die Verschwörung Verbündeter oder um eine Massenunternehmung handelt, macht dann keinen Unterschied, wenn jeder Mittäter Herr des eigenen Handelns bleibt, nur tut, was er selbst überlegt und wozu er sich aus seinem sozialen Gewissen heraus entschlossen hat, und die ganze Persönlichkeit freiwillig und ohne Untertanengehorsam und Machtfurcht für die gemeinsame Sache einsetzt.
Einsatz der Persönlichkeit ist der anarchistische Weg zur Revolution, wie späterhin die Bedingung zum Siege der Revolution und endlich das Mittel zur Errichtung der staatlosen Gesellschaft und der Inhalt des Lebens im Kommunismus. Das ist der Sinn alles unmittelbaren Eingreifens durch Streik, Sabotage, Widerstand, Weigerung, individuelle oder verschwörerische Tat, daß jeder einzelne Beteiligte mit Leib und Willen dabei sein muß, daß alles was geschieht in freier Uebereinstimmung der Handelnden selbst geschieht, daß keiner zentralen Leitung gefolgt wird, sondern dem selbstverantwortlichen Pflichtbewußtsein der von gesellschaftlichem Geiste erfüllten Persönlichkeit. Wo Massen in Bewegung sind, müssen es zur Masse vereinte Persönlichkeiten sein, sonst kann ihre Bewegung nicht zur Freiheit führen, sondern nur zur Uebertragung von Macht an diejenigen, die sie führen. Die Kultur der Persönlichkeit bedeutet nämlich nicht das Heranzüchten von Führern, sondern ist im Gegenteil der einzige Schutz gegen die Gefahr, von Führern mißleitet zu werden. Die zentralistischen Arbeiterparteien, wie überhaupt alle autoritären Organisationen und Mächte verlangen, um ihren Führern die blinde Gefolgschaft der Geführten zu sichern, durchaus keine Pflege der Persönlichkeit, und zwar ebenso wenig von den Führern wie von den Geführten. Wo Persönlichkeit wirkt, ist freiheitlicher Geist, der mit keinem Zentralismus vereinbar ist. Die autoritären Führer erheben sich über die Menge niemals durch die Ueberlegenheit in Charakter und geistigem Wert, sondern immer nur durch Befehlshabereigenschaften, die sich nur bei gering entwickelten Persönlichkeiten großziehen lassen. Daher ist es auch gewöhnlich so, daß die Führer zentralistischer Organisationen nicht durch eigene Willenskraft an die Spitze gelangen, sondern zu Führern ernannt, nicht einmal gewählt, werden, da sie die Eignung bewiesen haben, unkritisch Machtbefehle von einer ihnen überstellten Obrigkeit an ihre Untergebenen weiterzuleiten und mit autoritären Ansprüchen vor Kritik zu schützen. Solche Führer aber werden, ebenfalls durch Ernennung, zu verehrungswürdigen und unfehlbaren Personen aufgeblasen, was nur dadurch möglich wird, daß man den Persönlichkeitswert der Menschen allgemein zum Nichts herabdrückt. Je weniger die Persönlichkeitskultur gilt, um so üppiger steht der Personenkult in Ansehen. Der Anarchismus verwirft jeden Personenkult und wirkt
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