Begegnung im Schatten
gefunden war. Der richtige Mann für alles Technische in Kalischs Institut.
Im Augenblick fuhr er mit angesetztem Daumennagel eine der feinen Fugen entlang, die sich nur wenig dunkler auf der glänzenden Fläche abhoben.
„Das hat noch Zeit“, bemerkte Sandra Georgius. Mit verklärtem Blick strich sie wie zärtlich über die glatte Oberfläche.
„Was brauchen Sie?“, fragte Fritz Hegemeister ungeachtet der Entrücktheit der Frau profan und poltrig. „Ich bin euch vorläufig zugeteilt.“
Sandra Georgius wendete sich vom Objekt ab, lehnte sich mit dem Rücken dagegen, blickte zunächst gedankenabwesend auf den Frager und sagte dann unbestimmt „Tja…“
Stephan Ramlundt hatte in der Zwischenzeit mit auf dem Rücken verschränkten Händen den Körper zweimal umrundet. Dann war er stehen geblieben, hatte die Oberfläche des Kolosses betastet und lehnte sich abwartend an eine der Zeltstützen neben dem Eingang. Und es klang fast wie ein ärgerlicher Seufzer, als er leise sagte: „Vorläufig werde ich da wohl nicht gebraucht.“
Stephan Ramlundt, von seinen Studienkollegen und den Institutsangehörigen wohl zu Recht für den Protege des Professors gehalten, war, wie man so sagt, mit dem goldenen Löffel geboren als Sohn eines einflussreichen Unternehmers, der, ebenso wie Kalisch, zur Hautevolee der Stadt zählte. Privatschule, Privatcollege, ausgiebiges, freizügiges Studentenleben zunächst ohne jede finanzielle Einschränkung – aber: ausgezeichnete Studienergebnisse, weil hochintelligent. Auch er hatte an den Ausgrabungen des Professors in Ostafrika teilgenommen, und er hat sich bei der Systematisierung der Funde als ein Anthropologe von Format erwiesen. Nun, bei aller gesellschaftlicher Verquickung: Einen Dummkopf zu fördern, wäre nicht Kalischs Art gewesen.
Vieler echter Freunde konnte sich Stephan Ramlundt nicht rühmen; man sagte ihm Arroganz nach, dennoch zehrten etliche an seiner damaligen Wohlhabenheit. Je mehr er sich jedoch ernsthaft seiner wissenschaftlichen Arbeit widmete und damit zwangsläufig, schon aus Zeitgründen, von studentischen Gewohnheiten löste und des Vaters Unternehmen in Schwierigkeiten geriet, desto mehr zogen sich die Kumpane zurück.
Stephan Ramlundt war auch einer, den Frauen wohl als schönen Mann bezeichnen: Groß, sportlich mit guten Manieren. Und er pflegte, seine Chancen bei mancher Kommilitonin zu nutzen.
Für die Mission Shuttle hatte ihn Kalisch von einem zweijährigen Studienaufenthalt in Kalifornien zurückgeholt.
„Also“, drängte Fritz Hegemeister, „wann machen wir das auf?“
Erst jetzt fand Sandra Georgius völlig in die Wirklichkeit. Sie gab sich einen Ruck. „Langsam, langsam“, beschwichtigte sie. „Erst müssten wir natürlich wissen, wie!“
„Na, wie schon. Ein ordentlicher Schweißbrenner und… Oder, wenn nicht – wegen der Hitze -: Alte Bomben, die wir hier zur Genüge ausgebuddelt haben, zerschneiden sie mit einem Wasserstrahl, wenn’s nicht anders geht. Tolle Technologie, das.“
Sandra Georgius lächelte.
„Wir werden sehen“, sagte Roman Eiselt. „Zuerst brauchen wir eine ordentliche Umhausung, eine Leichtbauhalle.“
„Und wir ein Quartier in der Nähe. Sorgen Sie dafür, Herr Hegemeister? Und dass weiterhin Stillschweigen angesagt ist, brauche ich wohl nicht zu betonen.“
Fritz Hegemeister zog eine Grimasse. „Eine Halle, reicht das Zelt nicht? Wie lange soll denn das alles dauern! Und wer soll…“
„Zerbrechen Sie sich bitte nicht unsere Köpfe“, warf Stephan Ramlundt mit leichter Schärfe im Ton ein.
„Schon gut, schon gut.“ Fritz Hegemeister hob die Schultern.
„Kommen Sie bitte mit zum Auto“, forderte ihn Roman auf, „helfen Sie mir, die Geräte für die Metallprobenahme zu holen.“
Die kleine Gruppe hatte im Städtchen Walnow, dem Namensgeber für den Tagebau, im Gasthof „Zum Lausitzer“ eine brauchbare Unterkunft gefunden – nur sieben Autominuten von der Arbeitsstätte entfernt. Sie gaben sich als Geologen aus und erregten so keinerlei Aufsehen; der Großtagebau zog allerlei Leute, Wissenschaftler, Vermesser, Journalisten und andere Neugierige an, die meist im „Lausitzer“ logierten.
Dr. Sandra Georgius hatte noch am Abend ihrer Ankunft Kalisch informiert, dass die Körperhülle des Shuttles aus einer äußerst widerstandsfähigen Titanlegierung besteht, deren Schmelzpunkt bei 1800° C liegt, und um einige Hundert Grad müsste man zum Brennen höher gehen. Dies schließe, so ihr Fazit,
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