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Begegnung im Schatten

Begegnung im Schatten

Titel: Begegnung im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Prolog
    Mittwochnacht.
    Fritz Hegemeister stieg aus dem Geländewagen, grüßte zu dessen Fahrer „Mach’s gut“, kickte an einen Kohlebatzen und ging die wenigen Meter auf das lärmende Ungetüm zu. Er winkte zum Leitstand, der wie eine Schildlaus am Pflanzenstängel dem mächtigen Ausleger des Schaufelradbaggers aufsaß, dem größten seiner Art im Revier.
    Ächzen, Rumpeln, Quietschen und Knirschen erstarben. Nur das anhaltend gleichförmige Rumoren hunderter Bandrollen unterstrich die plötzlich eingetretene Stille.
    Fritz stieg die Leiter empor, schritt auf dem schmalen Steg am nachwippenden Radausleger zur Kabine. Er vermied, das zentimeterdick mit Kohlenstaub bedeckte Geländer zu berühren, zwängte sich ins enge Gehäuse, reichte mit „Glückauf“ Anton die Hand, warf einen flüchtigen Blick in das aufgeschlagene Schichtbuch und fragte: „War was?“
    Anton schüttelte den Kopf. „Zwei Mal Stillstand. Irgendwas an der Übergabestation. Aber ich hab’s eilig. Mach’s gut! Um zehn übertragen sie das Fußballspiel von heute Nachmittag.“
    „Wer spielt?“
    „Mann!“ Es klang wie ,armer Irrer’.
    ,Wirst sicher bald Gelegenheit haben, dir solche Spiele original anzuschau’n, dachte Fritz. Vielleicht ist der Blaue Brief schon unterwegs.’
    Beinahe zärtlich strich er über den Hauptschalter, dann ließ er sich mit einem Seufzer auf den neumodischen physiologischen Sitz gleiten, überschaute gewohnheitsgemäß die Instrumente und murmelte: „Na, da woll’n wir mal.“
    Er vergewisserte sich, dass Anton den Bagger verlassen hatte, dann setzte er das Riesenrad – mit Schaufeln groß wie Personenwagen – in Gang.
    Es begann das übliche Geschüttle neben dem Surren der schweren Elektromotoren, dem Poltern besonders großer Kohlebrocken – Fritzens Umfeld seit 15 Jahren.
    In Hegemeisters Gedanken schob sich Töchterchen Katjas bevorstehende Geburtstagsfeier, die die Frau als Picknick im Grünen ausrichten wollte und zu der er sich Beschäftigungen für die fünf neunjährigen Gäste ausdenken sollte. Fritz Hegemeister seufzte. ,Was den Weibern immer so einfällt’, dachte er. Als er ,Sackhüpfen’ und ,Eierlaufen’ vorgeschlagen hatte, quittierte die Frau mit einem müden Lächeln. Derart antiquiert könne man wohl den Kindern von heute nicht kommen…
    Kurz nach Mitternacht war es, als sich nach einem den Arbeitslärm bösartig durchdringenden Kreischen der Radausleger aufbäumte und der Notstillstand ausgelöst wurde.
    Heftig nachwippend stand der Koloss.
    „Mist“, fluchte Fritz – jedoch ohne besonderen Frust. Er hatte gerade das Aggregat näher an den Kohlestoß herangerückt und begonnen, von oben her das Schaufelrad abzusenken und den neuen Sektor des Flözes hereinzugewinnen. „Wieder so ein mieser Findling“, sagte er emotionslos.
    Nicht alltäglich, aber es kam vor, dass ein solcher eiszeitlicher Granitbrocken aus den Deckschichten ein Stück ins Flöz gedrungen war.
    Doch schon als er den Satz sprach, wusste Fritz Hegemeister: kein Findling. Nach diesem Geräusch nicht!
    Der Mann trat hinaus auf den Steg. Die grellen Scheinwerfer rissen den Arbeitsbereich des Schaufelrades aus der Finsternis.
    Noch rieselte Kohleklein, gebrochen im Nachwippen des Rades.
    In die unten stehende Schaufel ragte aus dem Flöz ein mächtiger grauer Gegenstand.
    In Fritzens Betrachtung hinein – doch ein Findling, ein riesiger? – klingelte das Telefon. Er beugte sich in die Kabine und langte nach dem Hörer.
    Der Dispatcher kündigte einen Stillstand an: „Die Scheiß-Übergabestation wieder“, schimpfte er. „Wird ‘ne Weile dauern.“
    Einen Augenblick überfiel Fritz Erinnerung: ,Was hätte die Leitung für ein Fass aufgemacht bei solchem Ausfall – früher! Heute? Wen kümmern schon ein paar hundert Tonnen Kohle weniger…’
    Er meldete seinerseits sein Ungemach mit dem Hinweis, in spätestens einer Viertelstunde das Hindernis beseitigt zu haben. Dann wandte er sich wieder der neuen Aufgabe zu.
    „Wusst’ ich’s doch!“, murrte Fritz.
    Die Zähne der Schaufel hingen an einem leicht wellenförmig verformten Gegenstand. Frische, glänzende Kratzspuren reflektierten das Licht.
    „Ein Stück Blech“, sagte der Mann. Er lüftete den Helm und kratzte sich am Kopf. „Ich unterschneid’s einfach.“
    Er trat zurück in den Leitstand, schaltete, der Bagger rumpelte los; Fritz zog in Intervallen den Ausleger zurück. Mit einem singenden Laut gaben die Schneidezähne den Gegenstand

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