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Bernie allein unterwegs

Bernie allein unterwegs

Titel: Bernie allein unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Hund sollte einfach brav dasitzen, den Kopf schief legen, die Ohren aufstellen und ein intelligentes Gesicht machen. Vielleicht ab und zu mal ein zustimmendes Wuff von sich geben. Dann war der lange Hein glücklich. Jetzt saß ich allerdings nicht – das war bei dem Schietwetter gar nicht möglich, da wäre ich sofort umgekippt –, ich sah den langen Hein auch nicht an, sondern lag platt wie ’ne Flunder auf dem Boden und rutschte, je nachdem in welche Richtung das Schiff kippte, wie ein Scheuerlappen hin und her. Nach dem Sturm würde das Steuerhäuschen picobello sauber sein, davon war ich überzeugt, und den ganzen Dreck und die Wollmäuse hatte dann ich in meinem Fell.
    »So, min Jung, da vorne ist die Hallig. Da wollen wir doch mal sehen, ob wir bei dem Schietwetter überhaupt anlegen können.«
    Min Jung! Jetzt sagte er schon »mein Junge« zu mir! Das war ja ein Ding!
    Das Schiff hopste und schlingerte auf den Anlegesteg zu, und der lange Hein hupte wie ein Wahnsinniger. Vielleicht hoffte er, dass jemand auf ihn aufmerksam wurde und bei dem Schietwetter zum Anleger kam, um ihm zu helfen. (Das Wort
Schietwetter gefiel mir immer besser. Wenn mir nicht so übel gewesen wäre, hätte ich mich vor Lachen ausschütten können.)
    Was jetzt passierte, war so schrecklich, dass ich mir, so gut es eben ging, die Pfoten in die Schlappohren steckte. Das Schiff krachte ein paarmal donnernd an den Anleger. Der lange Hein schrie und fluchte, aber ich konnte kein Wort verstehen, weil er auf Plattdeutsch schimpfte. Noch nie hatte ich jemanden gesehen, der so wütend war. Ständig versuchte er, die Seile über die Poller zu werfen, aber der Wind wehte sie immer wieder weg.
    Ich bemühte mich, nicht daran zu denken, was geschehen würde, wenn der lange Hein die Nerven und die Geduld verlor, denn ich hatte keine Lust, bei dem Sturm die ganze Nacht draußen auf dem Meer zu verbringen. Wahrscheinlich würde das Boot irgendwann umkippen, und ich wäre verloren, weil ich nicht schwimmen konnte. Von den Makrelen, die der lange Hein bei dem Schietwetter niemals braten würde, ganz zu schweigen.
    Ich hatte nur noch ein Ziel: Ich wollte die Küche und die Speisekammer von dem Baumstämmewerfer kennenlernen.
    Also betete ich zum Hundegott. Diesmal nicht um etwas Fressbares, weil ich nicht unverschämt erscheinen und gleich zwei Bitten auf einmal in den Himmel schicken wollte, sondern bat nur darum, dass der lange Hein mit seinem Seil endlich zu Potte kam.
    Und wahrhaftig! Der Hundegott erhörte mich sofort, denn Sekunden später schaffte es der lange Hein, den tanzenden Kahn festzumachen.
    Ich stand erleichtert auf, schüttelte mir die Wollmäuse aus dem Fell und freute mich unbändig auf Hallig Hooge in der Nordsee mit all ihren Köstlichkeiten, die mich erwarteten.

LAND UNTER
    Wir konnten kaum laufen – so heftig peitschte der Sturm. Ich kroch über die Erde, damit ich nicht weggeweht wurde. Als der lange Hein bemerkte, wie ich kämpfte, nahm er mich auf den Arm und trug mich, und ich konnte ihm endlich übers Gesicht lecken.
    Die Hallig war schon fast vollständig überspült, nur ein steinerner Weg, der wie ein Deich aussah, guckte noch aus dem Wasser heraus und führte direkt zu dem Haus von Ole und Minna.
    Der lange Hein klopfte – eine Türklingel gab es gar nicht –, und nach wenigen Sekunden öffnete eine Frau vorsichtig die Tür. Aber dennoch fegte der Wind durchs Haus, eine fast leere Flasche wurde vom Tisch geweht und polterte durch die Küche.
    »Komm schnell rein!«
    Hinter uns schloss die Frau sofort wieder fest die Tür.
    »Kinder, Kinder, warst du etwa da draußen bei dem Schietwetter mit dem Boot unterwegs?«, fragte sie.
    Der lange Hein grinste. »Nee, Minna, heute bin ich ausnahmsweise mal geflogen.«

    Jetzt grinste auch Minna. »Da hast du dat ja man grade noch so ins Trockne geschafft, wat?«
    »Du sagst es.«
    »Und der kleine Kerl hier ist deine neuste Errungenschaft?« Sie lächelte mich an und kraulte mich am Kinn. Ich war also eine »Errungenschaft«! So ganz sicher war ich mir nicht, ob ich mir etwas darauf einbilden konnte oder nicht.
    »Jou«, meinte der lange Hein. »Das ist Bobby. Er ist mir zugelaufen. Heute Morgen.«
    »Und dann gleich bei so ’nem Sturm auf’m Boot. Mann, Mann, Mann, da ist er ja richtig gut geschüttelt und gerührt.«
    »Aber gespuckt hat er nicht!« Der lange Hein sah aus, als wäre er stolz darauf, dass ich mich nicht übergeben hatte. Die Menschen waren manchmal wirklich

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