Bis einer stirbt
konnte, wurde sie langsam etwas ruhiger.
»Warum tu ich was?« Sie verstand die Frage wirklich nicht. Anscheinend war sie nicht immer so clever wie beim Poker.
»Es ist riskant für dich«, flüsterte ich, »die Polizei in das Versteck zu führen. Dann kann es auch nicht ganz ungefährlich sein, uns mitzunehmen. Warum tust du es trotzdem?«
Die Taxifahrerin telefonierte glücklicherweise über ein Headset. Allein schon wegen ihrer lauten Stimme kriegte sie sicher nichts mit von unserem seltsamen Gespräch. Zusätzlich redeten wir immer dann, wenn sie es auch tat. Sagte sie nichts, blieben auch wir stumm.
»Wenn du den kleinen Affen da rausholst«, entgegnete Nina, »dann interessiert das keinen Menschen. Bei den Bullen steht doch die Presse sofort auf der Matte und all diese Typen, Fernsehen und so. Und es wird kein Geheimnis bleiben, wer sie da hingeführt hat. Jedenfalls nicht für die. Die sind schlieÃlich nicht blöd.«
»Wenn alle im Knast sind«, fragte Nils, »was dann natürlich so sein wird, vor wem hast du noch Angst?«
»Bist du wirklich so naiv«, meinte sie fassungslos, »oder tust du nur so? Als Kind zu viel TKKG gelesen oder was? Die haben überall ihre Leute. Es sind nie alle von ihnen gleichzeitig im Knast. Und Verrat steht bei denen unter Höchststrafe. â Ãbrigens komme ich ganz sicher auch nicht ohne Knast davon.«
»Aber wenn wir Pit retten«, meinte Nils, »dann fliegt doch auch alles auf.«
»Aber dann wissen die nicht, wie ihr den kleinen ScheiÃer gefunden habt. Dann fliegt die Sache einfach nur auf, weil er plötzlich wieder drauÃen rumrennt.«
Wieder fand ich ihre Schlüsse nicht unbedingt plausibel. Aber vielleicht denkt man einfach nicht klar, wenn man Angst hat. »Du hast mehr Muffe vor der Gang als vorm Gefängnis?«, fragte ich ungläubig.
»Bis vor Kurzem nicht«, sagte sie. »Aber die sind in letzter Zeit völlig durchgedreht. Seit â¦Â«
Sie schien nicht sicher, ob es gut war, weiterzusprechen.
»Seit dem Toten in der Tankstelle?«, vermutete Nils.
Immer wieder mussten wir unser Gespräch unterbrechen, oft mitten im Satz, weil die Fahrerin ihr Funkgespräch unterbrach. Glücklicherweise quasselte sie aber ziemlich lange. Ein paarmal zwischendurch lachte sie laut.
Nina nickte stumm und ich verstand eigentlich noch weniger, warum sie ihre Leute an uns verriet. Die Gefahr für sie war doch riesig. Ich wiederholte meine Frage nach ihrem Grund.
»Dein kleiner Bruder«, sagte sie nach einer etwas längeren Pause und sah mich durchdringend an, »ist ein verdammt netter kleiner Bruder. Ein süÃes kleines Ãffchen. Zu nett für das alles. Er wollte aussteigen. Aber dagegen hatte jemand was. Zuerst wollte er ihm nur einen Denkzettel verpassen. Das fand ich noch okay.«
»Und dann?« Die Frage, wer »jemand« war, verkniff ich mir, weil ich die Antwort kannte: natürlich der Boss, Fred Lohmeier. Vielleicht redete sie eher weiter, solange sie dachte, wir wüssten das nicht.
»Heute Morgen hab ich gehört, wie er telefoniert hat«, fuhr Nina fort. »Wie immer hat er seine Anweisungen gekriegt.«
»Und diesmal â¦Â«, hakte Nils nach.
»â¦Â sollte er das Risiko eliminieren.« Ihre raue Stimme klang seltsam monoton. Und nach einer Pause erklärte sie: »Pit weià einfach zu viel.«
Ich hätte sie am liebsten geschüttelt. Ich hatte genug von Leuten, denen man jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen musste. Und bei denen man dann noch nicht mal sicher sein konnte, ob es die Wahrheit war. Beschwichtigend legte Nils seine Hand auf meinen Arm.
»Legt ihr ein gutes Wort bei den Bullen für mich ein, wenn ich euch helfe?«, fragte Nina.
Endlich war es raus! Von wegen netter kleiner Bruder! Das süÃe Ãffchen war ihr total egal. Sie wollte nur den eigenen Kopf aus der Schlinge ziehen. Da schreckte sie auch vor Verrat an ihren eigenen Leuten nicht zurück, das war alles. Dachte ich jedenfalls in diesem Moment. Aber wie erwähnt: Wer wirklich Angst hat, denkt nicht unbedingt plausibel.
Gerade wollte ich ihr ein paar passende Worte um die Ohren hauen, als Nils mir mit seiner verbindlichen Tour zuvorkam. »Wir tun, was wir können«, sagte er. »Und je mehr du sagst, umso leichter können wir dir helfen.«
Im Vergleich zu mir war er der bessere Taktiker,
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