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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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haben mir den Kaffee warm gehalten, Frau Schwarzkopf! … Aber einschenken thue ich mir selbst … vielen Dank!«
    Die Hausfrau sah zu, wie ihr Gast die ersten Bissen aß.
    »Und Mamsell hat gut geschlafen die erste Nacht? Ja, mein Gott, die Matratze ist mit Seegras gefüllt … wir sind einfache Leute … Aber nun wünsche ich guten Appetit und einen vergnügten Vormittag. Mamsell wird sicher mancherlei Bekannte am Strande treffen … Wenn es angenehm ist, begleitet mein Sohn Sie hin. Um Verzeihung, daß ich nicht länger Gesellschaft leiste, aber ich
muß
nach dem Essen sehen. Ich habe eine Bratwurst … Wir geben es so gut, wie wir können.«
    »Ich halte mich an den Scheibenhonig«, sagte Tony, als die Beiden allein waren. »Sehen Sie, da weiß man doch, was man verschluckt!«
    Der junge Schwarzkopf stand auf und legte seine Pfeife auf die Brüstung der Veranda.
    »Aber rauchen Sie doch! Nein, das stört mich ganz und gar nicht. Wenn ich zu Hause zum Frühstück komme, ist immer schon Papas Cigarrenrauch in der Stube … Sagen Sie mal«, fragte sie plötzlich, »ist es wahr, daß ein Ei so viel wert ist, wie ein Viertelpfund Fleisch?«
    Er wurde über und über rot. »Wollen Sie mich eigentlich zum besten haben, Fräulein Buddenbrook?« fragte er zwischen Lachen und Ärger. »Ich habe gestern Abend noch einen Rüffel {138} von Vater bekommen wegen meiner Fachsimpelei und Wichtigthuerei, wie er sagte …«
    »Aber ich habe ganz harmlos gefragt?!« Tony hörte vor Bestürzung einen Augenblick auf zu essen. »Wichtigthuerei! Wie kann man dergleichen sagen! … Ich möchte gern etwas erfahren … Mein Gott, ich bin eine Gans, sehen Sie! Bei Sesemi Weichbrodt war ich immer unter den Faulsten. Und Sie wissen, glaube ich, so viel …« Innerlich dachte sie: Wichtigthuerei? Man befindet sich in fremder Gesellschaft, zeigt sich von seiner besten Seite, setzt seine Worte und sucht, zu gefallen – das ist doch klar …
    »Nun ja, es deckt sich in gewisser Weise«, sagte er geschmeichelt. »Was gewisse Nährstoffe betrifft …«
    Hierauf, während Tony frühstückte und der junge Schwarzkopf fortfuhr, seine Pfeife zu rauchen, fing man an, von Sesemi Weichbrodt zu schwatzen, von Tonys Pensionszeit, von ihren Freundinnen, Gerda Arnoldsen, die nun wieder in Amsterdam war, und Armgard von Schilling, deren weißes Haus man vom Strande aus sehen konnte, wenigstens bei klarem Wetter …
    Später, als sie schon mit Essen fertig war und sich den Mund wischte, fragte Tony, indem sie auf die Zeitung deutete:
    »Steht etwas Neues darin?«
    Der junge Schwarzkopf lachte und schüttelte mit spöttischem Mitleid den Kopf.
    »Ach nein … Was soll wohl darin stehen? … Wissen Sie, diese städtischen Anzeigen sind ein klägliches Blättchen!«
    »Oh? … Aber Papa und Mama haben sie immer gehalten?«
    »Ja, nun!« sagte er und wurde rot … »Ich lese sie ja auch, wie Sie sehen, weil eben nichts Anderes zur Hand ist. Aber daß der Großhändler Konsul So und So seine silberne Hochzeit zu feiern gedenkt, ist nicht allzu erschütternd … Ja – ja! Sie lachen … Aber Sie sollten mal andere Blätter lesen, die Königsberger Hartungsche Zeitung … oder die Rheinische Zeitung … da {139} würden Sie etwas Anderes finden! Was der König von Preußen auch sagen mag …«
    »Was sagt er denn?«
    »Ja … nein, das kann ich leider vor einer Dame nicht citieren …« Und er wurde abermals rot. »Er hat sich ziemlich ungnädig über diese Presse geäußert«, fuhr er mit einem etwas gewaltsam ironischen Lächeln fort, das Tony einen Augenblick peinlich berührte. »Sie geht nicht sehr glimpflich mit der Regierung um, wissen Sie, mit den Adligen, mit Pfaffen und Junkern … sie weiß allzu geschickt die Censur an der Nase zu führen …«
    »Nun und Sie, gehen Sie auch nicht glimpflich mit den Adligen um?«
    »Ich?« fragte er und geriet in Verlegenheit … Tony stand auf.
    »Na, darüber müssen wir ein anderes Mal reden. Wie wäre es, wenn ich nun zum Strande ginge? Sehen Sie, es ist beinahe ganz blau geworden. Heute wird es nicht mehr regnen. Ich habe die größte Lust, wieder einmal in die See zu springen. Wollen Sie mich hinunter begleiten? …«

7.
    Sie hatte ihren großen Strohhut aufgesetzt und ihren Sonnenschirm aufgespannt, denn es herrschte, obgleich ein kleiner Seewind ging, heftige Hitze. Der junge Schwarzkopf schritt, in seinem grauen Filzhut, sein Buch in der Hand, neben ihr her und betrachtete sie

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