Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)
eröffnet und gegen ihn ermittelt werden. Vielleicht gehen die Ermittlungen danach nochmal an uns, aber im Moment ist hier offiziell Endstation.
Und gegen Gjergj Malaj haben wir wieder mal nichts in der Hand. Weil keiner redet oder mehr reden kann.
»Aber der soll wissen, dass wir Schubert im Auge haben und damit auch ihn«, sagt der Calabretta brummig. »Es sei denn, er lässt Schubert umlegen.«
Bruns schüttelt den Kopf und sagt:
»Hören Sie auf mit dem Scheiß. Sie sind ja schon zwanghaft.«
XIV.
DAS KALTE HERZ
Es ist verdammt lange her, dass ich ohne Carla beim Fußball war. Sie fehlt mir, und das nicht nur in diesem Moment, da das Spiel anfängt. Sie fehlt mir, seit sie am Dienstag zusammen mit Rocco auf dieses blöde Containerschiff nach New York gestiegen ist. Eine Schnapsidee von Klatsche, die beiden so lange wegzuschicken. Jetzt steh ich hier, trinke alleine mein Bier und rauche alleine meine Zigaretten, und als die Spieler zu den Höllenglocken von ACDC aus ihrem Tunnel gerannt kommen, bin ich so schüchtern, dass ich nicht mal jubeln kann. Ich komme mir vor, als wäre ich zum ersten Mal hier.
Und das bleibt auch so.
Am Ende hat der FC Sankt Pauli eins zu null gewonnen, während ich die ganze Zeit auf eine merkwürdige Art in der Ecke stand und heimlich Fingernägel gekaut habe.
Ich verschwinde mit dem Abpfiff, ich bin raus aus dem Stadion, bevor die Massen kommen und zu ihrem Marsch durch die Straßen blasen, ich sehe zu, dass ich nach Hause komme, und dort setze ich mich dann auf meinen Balkon, schaue dem warmen Regen zu und rauche weiter Zigaretten.
Das war er dann also, der letzte Spieltag. Gemischte Saison. Ein bisschen was gewonnen, aber auch viel verloren. Im August, wenn die nächste Runde losgeht, sollten wir besser aufgestellt sein.
Und wie ich da so sitze und rauche, ruft mich Naima an.
»Hey«, sage ich.
»Hallo«, sagt sie. »Störe ich dich?«
»Nein, du störst nicht. Wie geht’s dir?«
»Nicht gut«, sagt sie. Ich kann an ihrer Stimme hören, dass sie geweint hat.
»Brauchst du Hilfe?«
»Nein«, sagt sie. »Ich will mich nur von dir verabschieden. Wir kennen uns kaum, aber du sollst wissen, dass ich weggehe. Ich hab’ meine Koffer gepackt, das Taxi steht vor der Tür, in zwei Stunden geht mein Flug nach Paris. Wenn Gjergj heute Abend nach Hause kommt, bin ich nicht mehr hier.«
»Du verlässt deinen Mann?«
Erst antwortet sie nicht, dann sagt sie:
»Ich gehe zurück nach Marokko. Morgen früh bin ich da.«
Sie verlässt ihn. Sie drückt es nur anders aus.
»Und … ich wollte nur noch sagen, dass es schön war, mit dir am Wasser zu sitzen … und … wenn mir was passiert …«
Sie spricht nicht weiter.
»Pass auf dich auf, Naima.«
»Pass du auf dich auf.«
»Ich bin ein großes Mädchen«, sage ich. »Grüß mir den Atlantik, den hab’ ich lange nicht mehr gesehen.«
»Mach’ ich«, sagt sie. »Also dann.«
»Also dann«, sage ich.
»Mach’s gut. Bis irgendwann.«
»Ja«, sage ich, »bis irgendwann vielleicht.«
Dann legt sie auf.
Ich lasse ihr noch eine halbe Stunde Zeit, dann rufe ich mir ein Taxi und fahre zum Haus von Gjergj Malaj.
* * *
Ich stand hier schon mal, vor Jahren. Da war der Faller noch im Dienst und der Albaner gerade in sein neues Haus gezogen. Da sind wir noch davon ausgegangen, dass wir die Katzen sind und er die Maus. Seitdem ist eine Menge passiert. Inzwischen wissen wir, dass wir es mit einem Raubtier zu tun haben, das wir vermutlich niemals an die Kette legen können.
Er ist da.
Aus seiner Bauhausvilla mit den großen Fenstern schimmert Licht. Im Garten stehen ein paar Birken, ein paar Rhododendronbüsche. Er sitzt in seinem Arbeitszimmer, in einem großen Ledersessel, im gedämpften Licht. Im Wohnzimmer brennt auch eine Lampe, aber da ist keiner. Im ganzen Hause ist keiner, außer ihm. Er trägt einen hellen Anzug, die dunklen Haare sind akkurat geschnitten und gescheitelt. Er hat das Kinn auf die Hand gestützt und schaut die Wand an. Die Fenster sind geschlossen. Das Vogelgezwitscher bleibt draußen. Es muss sehr still sein in der Villa.
Ich trete ein Stück zurück, schiebe mich ein bisschen hinter einen Baum und zünde mir eine Zigarette an.
Du kannst so viel Macht haben, wie du willst, aber wenn du alleine auf deinem Tyrannenthron sitzt, erfriert dir das Gangsterherz.
Ich hoffe, dass es weh tut.
Ich bin die Dunkelheit.
Die Finsternis.
Die Angst höchstpersönlich.
Ein großes schwarzes Loch.
Ich kann das
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