Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
betrachtete er ihn als eine Ausnahme; er selbst stand auf der Höhe jenes ehemaligen Krämers, der eine Diskussion über den Bezug des Tees damit schloß, daß er mit schlauer Miene sagte: »Der Tee kommt entweder mit der Karawane oder aus Le Havre.« Nach Birotteaus Meinung gab es Aloe und Opium nur in der Rue des Lombards. Das angebliche Konstantinopeler Rosenwasser würde wie das Kölnische Wasser in Paris fabriziert. Die Ursprungsnamen seien Aufschneidereien den Franzosen zu Gefallen, die die Erzeugnisse ihres Landes nicht haben wollten. Ein französischer Kaufmann müsse seine Erfindungen als englische bezeichnen, wenn er sie in Aufnahme bringen wolle, wie ein englischer Drogist die seinigen für französische ausgeben müsse. Trotzdem war Cäsar durchaus nicht dumm oder töricht; seine Rechtschaffenheit und Herzensgüte warfen ihren Schimmer über ihn, der alles, was er tat, respektabel erscheinen ließ; wer immer als redlicher Mann handelt, dem wird jede Unwissenheit verziehen. Sein beständiger Erfolg erfüllte ihn mit Zuversicht. In Paris gilt eine solche Selbstsicherheit schon als eine Macht, weil man sie als ein Zeichen von Macht ansieht. Nachdem sie Cäsar in den ersten drei Jahren ihrer Ehe genau kennengelernt hatte, war seine Frau das Opfer beständiger Ängste; sie repräsentierte in diesem Bunde den scharfsinnigen und vorsichtigen Teil, den Zweifel, die Opposition, die Furcht; während Cäsar die Kühnheit, den Ehrgeiz, die Tat und das höchste Glück, das Herausfordern des Schicksals, verkörperte. Trotz dieses äußeren Anscheins aber zitterte der Kaufmann innerlich, während seine Frau in Wahrheit Geduld und Mut besaß. So gelang es diesem kleinmütigen, mittelmäßigen, ungebildeten Manne ohne eigene Gedanken, ohne Kenntnisse, ohne ausgeprägten Charakter, auf dem schlüpfrigsten Platze der Welt, wo er am wenigsten Aussicht auf Erfolg hatte, durch sein kluges Benehmen, durch sein Rechtsgefühl, seine wahrhaft christliche Seelengüte und durch die Liebe zu der einzigen Frau, die er jemals besessen hatte, für einen bemerkenswerten, mutigen und klug überlegenden Mann zu gelten. Die Menschen urteilen nur nach dem Erfolge. Außer Pillerault und dem Richter Popinot waren die Mitglieder seines Kreises, die ihn nur oberflächlich sahen, nicht fähig, ihn richtig zu beurteilen. Übrigens redeten die zwanzig bis dreißig Freunde, die unter sich verkehrten, dieselben Albernheiten, sie wiederholten dieselben Gemeinplätze und hielten sich alle für überlegene Leute in ihrem Fache. Die Frauen bestrebten sich, mit guten Diners und Toiletten hervorzustechen; eine jede von ihnen hielt sich für verpflichtet, verächtlich von ihrem Mann zu reden. Nur Frau Birotteau hatte soviel Takt, den ihrigen vor den andern mit Achtung und Respekt zu behandeln; sie sah in ihm den Mann, der trotz seiner versteckten Unfähigkeit ihr Vermögen verdient hatte und dessen Ansehen sie teilte. Aber sie fragte sich manchmal, wie die Gesellschaft beschaffen sein müsse, wenn alle angeblich hervorragenden Persönlichkeiten ihrem Manne glichen. Ihr Benehmen trug nicht wenig dazu bei, die respektvolle Achtung aufrecht zu halten, die man dem Kaufmann in einem Lande entgegenbrachte, wo die Frauen meist geneigt sind, ihre Männer zu verachten und sich über sie zu beklagen.

Die ersten Tage des Jahres 1814, die für das kaiserliche Frankreich so verhängnisvoll waren, markierten sich bei den Birotteaus durch zwei Ereignisse, die in jedem andern Hause wenig bedeutet hätten, die aber einen tiefen Eindruck auf so einfache Seelen wie die Cäsars und seiner Frau machten, die, wenn sie auf ihre Vergangenheit zurückblickten, darin nur angenehme Erregungen fanden. Sie hatten als ersten Kommis einen jungen Mann von zweiundzwanzig Jahren angenommen, mit Namen Ferdinand du Tillet. Dieser junge Mensch, der von einem Parfümeriehause, wo man abgelehnt hatte, ihn am Gewinn zu beteiligen, abgegangen war und der für genial begabt gehalten wurde, hatte sich viele Mühe gegeben, bei der Rosenkönigin anzukommen, deren Umstände, Leistungsfähigkeit und Geschäftsgebaren ihm bekannt waren. Birotteau nahm ihn an und bewilligte ihm tausend Franken Gehalt mit der Absicht, ihn einmal zu seinem Nachfolger zu machen. Ferdinand hatte auf das Geschick dieser Familie einen so großen Einfluß, daß es nötig ist, einige Worte über ihn zu sagen. Zuerst nannte er sich einfach Ferdinand, ohne Familiennamen. Diese Anonymität hielt er für einen außerordentlichen

Weitere Kostenlose Bücher