Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel
Vampirin, sich das Kunsthaar vom Kopf zu reißen, doch als ihre Hände mit den Flammen in Berührung kamen, fingen auch diese Feuer, als bestünden sie aus knochentrockenem Papier. Im Bruchteil einer Sekunde brannten ihre Arme wie Fackeln und Lady Delilah stürzte aufheulend zur Tür. Doch die Flammen waren schneller als sie: Innerhalb weniger Momente loderte dort, wo sie gestanden hatte, ein flackernder Scheiterhaufen, in dessen tanzenden Feuerzungen Tessa nur noch die zuckenden Konturen einer kreischenden schwarzen Gestalt erkennen konnte.
»Verstehen Sie jetzt, was ich meine?«, brüllte Magnus Tessa ins Ohr, im Versuch, sich über die Schreie der Vampire verständlich zu machen, die in alle Richtungen stürmten, um den Flammen auszuweichen.
»Lassen Sie mich los!«, schrie Tessa und schaute rasch zur Bühne: de Quincey hatte sich in das Gedränge gestürzt und Nathaniel hing zusammengesackt und offensichtlich bewusstlos auf dem Stuhl, nur noch festgehalten von seinen Hand- und Fußschellen. »Da oben auf dem Podium - das ist mein Bruder. Mein Bruder!«
Sprachlos starrte Magnus sie an. Tessa nutzte seine Verwirrung, riss sich los und stürzte auf die Bühne zu. Im Raum herrschte das reinste Chaos: Vampire rannten und stoben in alle Richtungen und viele flohen panikartig zum Ausgang. Diejenigen, die die Türen erreicht hatten, stießen und drängelten, um als erste hinauszugelangen; andere hatten auf dem Absatz kehrtgemacht und stürmten in wilder Flucht zu den Terrassentüren, die auf den Garten hinausgingen.
Tessa schlug einen Haken, um einem umgestürzten Stuhl auszuweichen, und wäre fast in die rothaarige Vampirin im blauen Kleid gerannt, die sie noch kurz zuvor neidisch angestarrt hatte. Jetzt wirkte sie nur noch zu Tode entsetzt. Als sie Tessa sah, stürzte sie sich mit einem Schrei auf sie, schien dann aber zu taumeln. Ihr Mund öffnete sich zu einem weiteren Schrei, doch stattdessen schoss ein Schwall Blut daraus hervor. Ihr Gesicht verschrumpelte und fiel in sich zusammen, wobei die Haut sich zu Asche auflöste und von den Knochen ihres Schädels herabrieselte. Ihre roten Haare zerknitterten und wurden schlagartig grau, die Haut auf ihren Armen vertrocknete und zerstob zu Staub und mit einem letzten verzweifelten Aufschrei brach die Vampirin in einem faserigen Haufen aus Knochen und Asche zusammen, auf dem nur noch ihr locker zusammengefallenes Satinkleid lag.
Der Anblick bereitete Tessa Übelkeit und sie musste rasch den Blick abwenden, um nicht zu würgen. Und dann sah sie Will. Er stand direkt vor ihr, ein langes Silbermesser mit blutverschmierter Klinge in der Hand. Auch sein Gesicht hatte blutige Flecken und er starrte Tessa mit einem wilden Ausdruck in den Augen an.
»Was zum Teufel tust du noch hier?«, brüllte er. »Du unfassbar dummes ...!«
Plötzlich ertönte ein leises, hohes Wimmern, wie von einer defekten Maschine, das Tessa dank ihres Vampirgehörs noch vor Will wahrnahm: Der blonde Junge in der grauen Livree - der Domestik, dessen Blut Lady Delilah zu Beginn des Abends getrunken hatte - stürmte mit tränenüberströmtem Gesicht auf Will zu, wobei ein schrilles Heulen aus seiner Kehle drang. In einer Hand hielt er ein Stuhlbein, aus dessen zerborstenem Ende spitze Holzsplitter ragten.
»Will, pass aufl«, schrie Tessa und Will wirbelte herum. Er bewegte sich so schnell, dass er wie ein verschwommener Schatten vorbeischoss, und das Messer in seiner Hand blitzte etliche Male silberhell auf. Als er schließlich innehielt, lag der Junge auf dem Boden und die Klinge ragte aus seiner Brust. Rotes Blut sickerte aus mehreren Wunden, dicker und dunkler als Vampirblut.
Mit aschfahlem Gesicht starrte Will auf die reglose Gestalt. »Ich dachte ...«, setzte er bestürzt an.
»Er hätte dich umgebracht, wenn du ihm nicht zuvorgekommen wärst«, versicherte Tessa ihm rasch.
»Du verstehst nichts von alldem«, fuhr Will sie an. Dann schüttelte er den Kopf, als wollte er sich von Tessa Stimme befreien - oder vom Anblick des toten Jungen. Der Domestik wirkte jetzt noch jünger als zuvor, seine Züge noch weicher. »Ich hatte dir befohlen zu gehen ...«, wandte Will sich wieder an Tessa.
»Der Mann dort drüben ist mein Bruder«, erwiderte Tessa und zeigte auf die Bühne, wo Nathaniel noch immer bewusstlos in seinen Fesseln hing. Wenn nicht noch Blut aus seiner Wunde am Hals gesickert wäre, hätte sie ihn für tot gehalten. »Nathaniel. Dort auf dem Stuhl.«
Wills Augen weiteten sich
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