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Code Freebird

Code Freebird

Titel: Code Freebird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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nicht sonderlich groß. Sie steckte vielleicht in meiner Jackentasche.
    Ich nehme sie also in beide Hände, halte sie hoch, etwa in Höhe des Bauches, atme nochmals tief durch. Gleich werde ich tot sein.
    Die, die an diesen Ort meines Todes kommen werden, wird ein fürchterliches Bild erwarten. Alles, was meinem Körper Persönlichkeit gegeben hat, ist verschwunden. Ich bin nur noch eine plumpe, dumpfe Masse aus Fleisch, Gedärm und Knochen, verformt und entstellt.
    Sie werden durch mein Blut waten, Gehirnmasse und innere Organe werden sich in das Profil ihrer Schuhsohlen quetschen. Später dann, zu Hause, wenn sie diesen Tag so schnell wie möglich vergessen möchten, werde ich noch immer da sein. In den Ritzen ihrer Schuhe, im Geruch ihrer Kleidung und in jeder Pore ihrer Haut. Sie werden duschen wollen, um meinen Gestank von ihren erschöpften Körpern zu waschen. Auch wenn ihnen das gelingen sollte, werde ich das letzte Bild sein, das sie in den Schlaf hinübernehmen. Und sie werden mich so schnell nicht vergessen.
    »Bist du eingeschlafen?«, hörte er Michaelis neben ihm sagen.
    Er öffnete die Augen. »Nein, ich versuche mir gerade vorzustellen, wie die letzten Momente vor der Explosion ausgesehen haben könnten. Und etwas finde ich seltsam: Wenn ich mir um diese Uhrzeit, irgendwann am Nachmittag, einen Film im Kino anschaue, dann muss ich mich darauf gefreut haben. Ich sitze also hier, zwei Stunden lang …«
    Levy schaute sich um. »Ich nehme an, die Spurensicherung hat alles mitgenommen, was sie in die Hände bekommen hat.«
    »Sicher«, bestätigte sie.
    »Hast du mal zwei Stunden im Kino gesessen, ohne etwas zu trinken oder zu essen?«
    »Natürlich.«
    »Okay, aber außer dir gibt es bestimmt auch noch Menschen, wie mich zum Beispiel, die sich was zu trinken oder zu knabbern mitnehmen.«
    »Wenn ich nur an das Rascheln und Kauen um einen herum denke, dann könnte ich in die Luft gehen.«
    »Gut, also nehmen wir mal an, unser Mann hatte sich am Kassenhäuschen etwas gekauft. Eine Cola oder ein paar Chips.«
    Michaelis blätterte in den Unterlagen. »Davon steht nichts in der Zeugenaussage.«
    »Wie erklärst du dir dann diese seltsame Explosionsrichtung in Höhe des Bauchs und Brustbereichs?«
    »Du meinst, er hat etwas gegessen?«
    »Ja, Gummibärchen, Chips, Popcorn, was auch immer. Schau, die Tüte halte ich mit einer Hand ungefähr in Höhe der Brust, während ich mit der anderen hineingreife.«
    »Dann hätte er die Bombe in einer Tüte transportiert.«
    »Oder die Kassiererin hat sie ihm verkauft.«
    »Dann wäre sie präpariert gewesen. Nur, wie konnte die Kassiererin wissen, wenn sie es nicht selbst war, was ich ausschließe, welche Tüte für den Mann bestimmt war?«
    »Vielleicht wusste sie es nicht, oder die Bombe war nicht für ihn bestimmt, sondern für irgendeinen Pechvogel, der …«
    »Warte«, unterbrach Michaelis. Sie blätterte in der Akte, suchte eine Stelle, an die sie sich erinnerte. »Hier, hier ist es. Die Zeugin Wieczorek hat ausgesagt, dass da noch jemand war. Ein Promoter. Du weißt schon, die dir in Kneipen Zigaretten anbieten und dich zu ’nem Preisausschreiben verleiten wollen, um an deine Adresse zu kommen.«
    »Was ist mit ihm?«
    »Nichts weiter, sie hat ihn in einem Zwischensatz erwähnt. Ich nehme an, dass diese Promoter fünfmal am Tag bei ihr auftauchen, und deswegen hat sie ihm keine große Bedeutung zugemessen.«
    »Fahndet ihr nach ihm?«
    »Noch nicht.«
    Michaelis griff nach dem Handy. »Luansi, nimm bitte Kontakt zur Zeugin Wieczorek auf. Am besten schick Naima bei ihr vorbei. Es geht um den Promoter, den sie in ihrer Aussage erwähnt hat. Wir müssen wissen, wer er ist und wo wir ihn erreichen können.«
    Sie beendete das Gespräch. Ihr Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, dass sie ihren Fehler bereute. »Sorry«, sagte sie, »ich weiß auch nicht, wieso ich das übersehen konnte.«
    »Und der Kollege, der die Aussage aufgenommen hat, hat auch nicht nachgefragt?«
    »Ich nehme es an, sonst stünde was in der Akte. So was darf nicht nochmal passieren.«
    »Ihr steht alle ziemlich unter Druck. Da kann so etwas schon passieren.«
    »Verdammt ja, und verdammt nein«, entgegnete sie verärgert. »Verfahrensfehler gleich zu Beginn lassen sich später kaum noch aufholen. Ich hoffe nur, Sven hat davon nichts mitbekommen.«
    »Hat er sich was anmerken lassen?«
    »Nein, bisher nicht.«
    »Siehst du, alles halb so schlimm, wenn es selbst unserem großen Meister

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