Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers
haben?«
Er atmete tief durch, um seine Wut zu bezähmen, die sinnlos war und die der andere mit Engelsgeduld ertrug. »Wer hat ihn gefunden?«
»Zwei Müllmänner, an der Mànnara, in einem Auto.«
»Bin gleich da. Ruf du inzwischen in Montelusa an, laß den Erkennungsdienst kommen und sag dem Richter Lo Bianco Bescheid.«
Während er unter der Dusche stand, kam er zu dem Schluß, daß der Tote ein Angehöriger des Cuffaro-Clans aus Vigàta sein mußte. Vor acht Monaten hatte sich, wahrscheinlich wegen irgendwelcher Revierstreitigkeiten, ein grausamer Krieg zwischen den Cuffaros und den Sinagras aus Fela entzündet; ein Toter pro Monat, abwechselnd und in schöner Folge: einer in Vigàta und einer in Fela. Der letzte, ein gewisser Mario Salino, war in Fela von den Vigàtesern erschossen worden. Infolgedessen mußte es diesmal einen Cuffaro erwischt haben. Bevor Montalbano sich auf den Weg machte - er wohnte in einem kleinen Haus am Strand auf der anderen Seite der Mànnara -, hatte er auf einmal Lust, Livia in Genua anzurufen. Sie war gleich am Apparat, noch ganz schlaftrunken.
»Entschuldige, aber ich wollte deine Stimme hören.«
»Ich habe gerade von dir geträumt«, sagte sie träge und fügte hinzu: »Du warst bei mir.«
Montalbano wollte sagen, daß auch er von ihr geträumt hatte, aber ein absurdes Schamgefühl hielt ihn zurück. Statt dessen fragte er: »Und was haben wir gemacht?«
»Das, was wir schon allzulange nicht mehr gemacht haben.«
Im Kommissariat traf Montalbano außer dem Brigadiere nur drei Beamte an. Die anderen waren hinter dem Besitzer eines Bekleidungsgeschäftes her, der wegen einer Erbschaftsangelegenheit auf seine Schwester geschossen hatte und dann abgehauen war. Er öffnete die Tür der Arrestzelle. Die beiden Müllmänner saßen dicht nebeneinander auf der Bank. Trotz der Hitze hatten sie blasse Gesichter.
»Kleinen Moment noch, ich komm' gleich wieder.« Die beiden enthielten sich jeden Kommentars und blickten gottergeben drein. Schließlich war bekannt, daß sich die Sache in die Länge zog, wenn man es, warum auch immer, mit dem Gesetz zu tun hatte. »Hat irgendeiner von euch die Reporter informiert?« fragte der Commissario seine Leute. Sie winkten verneinend ab.
»Ich warne euch: Daß mir ja keiner von diesen Schmierfinken unter die Augen kommt.«
Schüchtern wagte sich Galluzzo nach vorne, hob zwei Finger, als wolle er um Erlaubnis bitten, austreten zu dürfen. »Nicht mal mein Schwager?«
Galluzzos Schwager war Journalist bei »Televigàta« und befaßte sich mit der Skandalchronik. Montalbano stellte sich schon den Familienstreit vor, wenn Galluzzo ihm nichts sagen würde. Galluzzo hatte tatsächlich einen herzerweichenden Hundeblick aufgesetzt. »Na gut. Er soll aber erst kommen, wenn die Leiche weg ist. Und keine Fotografen.«
Sie fuhren mit dem Streifenwagen los. Giallombardo ließen sie als Wachtposten zurück. Am Steuer saß Gallo, ein Typ wie Galluzzo, der immer zu Spaßen aufgelegt war, in der Art: »Na, Commissario, was gibt's Neues im Hühnerstall?«
Montalbano, der ihn nur zu gut kannte, verpaßte ihm einen Rüffel. »Ras aber nicht wieder so, wir haben's nicht eilig.«
In der Kurve nahe der Kirche des heiligen Karmel konnte Peppe Gallo sich nicht mehr zurückhalten und trat aufs Gas, daß die Reifen quietschten. Plötzlich gab es einen harten Knall wie ein Pistolenschuß, und der Wagen kam schleudernd zum Stehen.
Sie stiegen aus. Der rechte Hinterreifen hing zerfetzt an den Felgen. Er war sorgfältig mit einer scharfen Klinge aufgeschlitzt worden, die Schnitte waren noch deutlich zu erkennen.
»Diese Dreckskerle! Diese lausigen Hurensöhne!« explodierte der Brigadiere. Montalbano kochte vor Wut.
»Ihr wißt doch ganz genau, daß sie uns alle zwei Wochen die Reifen aufschlitzen! Herrgott noch mal! Und jeden Morgen sage ich euch: Schaut sie euch an, bevor ihr losfahrt! Aber ihr schert euch ja einen Dreck darum, ihr Scheißer! Bis sich einer von uns irgendwann mal das Genick bricht!«
Nach einigem Hin und Her dauerte es letztlich gut zehn Minuten, bis der Reifen gewechselt war, und als sie die Mànnara erreichten, war der Erkennungsdienst von Montelusa bereits dort. Er befand sich in der, wie Montalbano es nannte, Meditationsphase. Das bedeutete, daß fünf oder sechs Beamte rund um die Stelle spazierten, wo das Auto stand, den Kopf leicht nach unten geneigt, die Hände in den Taschen vergraben oder auf dem Rücken verschränkt. Sie wirkten wie
Weitere Kostenlose Bücher