Darkover 24 - Die Schattenmatrix
hatten, alles schien in Ordnung zu sein. Margaret stieg ab, gab Martin die Zügel und tätschelte Dorilys flüchtig den Hals. »Ein andermal, meine Schöne. Ein andermal machen wir einen hübschen Spazierritt.« Das Pferd wieherte als Antwort und sah sie aus großen dunklen Augen an, als hätte es jedes Wort verstanden.
Margaret eilte zum Turm, ihr Herz klopfte heftig. Ihre Füße flogen nur so über den gepflasterten Gehweg, sie rannte an der Bäckerei vorbei und an der Schreibstube, in der sie ursprünglich den Nachmittag verbringen wollte. Sie blieb auch bei ihrem kleinen Haus nicht stehen, denn je näher sie dem Turm kam, desto größer wurde dieses unangenehme Gefühl in ihr.
Irgendetwas war geschehen, etwas Schlimmes, und in ihrer Fantasie begann sie sich alles Mögliche auszumalen. Dio war aus dem künstlichen Tiefschlaf erwacht, bei Ariel hatten vorzeitig die Wehen eingesetzt, oder Mikhail war… Nein! Margaret verlangsamte ihr Tempo ein wenig und zwang sich, mit ihren aberwitzigen Theorien aufzuhören. Sie war Akademikerin und kein hysterisches Weibsbild, das bei jeder Gelegenheit aus der Haut fuhr! Sie war Tutorin an der Universität!
Liriel?
Ja, Marguerida. In der Antwort lagen eine unüberhörbare Traurigkeit und Zurückhaltung.
Was ist denn passiert?
Domenic …
O nein! Margaret blieb abrupt auf dem Gehweg stehen. Sie fühlte förmlich, wie sie zu Eis erstarrte, zu Stein. Aber er war doch auf dem Wege der Besserung! Das stimmte allerdings nicht ganz. Ihr eigenes rasches Eingreifen hatte das Leben des Jungen unmittelbar nach dem Unfall gerettet, aber er hatte sich das Rückgrat gebrochen und würde nie wieder seine Arme und Beine bewegen können. Die Heiler hatten ihr Bestes getan - und Margaret wusste inzwischen, dass das Beste der darkovanischen Heiler in vielerlei Hinsicht ebenso gut war wie das, was die terranische Technologie zu bieten hatte -aber der Schaden war dennoch irreparabel. Wie?
Er ist erstickt. Es ging so schnell, dass niemand etwas tun konnte. Margaret spürte, wie eine tiefe Wut in ihr hochstieg, und konnte sie nur mit großer Mühe zurückhalten. Arme Ariel! In einem terranischen Krankenhaus hätten sie dem Kind einen Beatmungsschlauch in den Hals gesteckt, immerhin stellte Erstickungstod die größte Gefahr bei einem Bruch des dritten Halswirbels dar. Margaret hatte das bis zu Domenics Unfall auch nicht gewusst, aber seitdem hatte sie es sich zur Aufgabe gemacht, möglichst viel über solche Verletzungen in Erfahrung zu bringen, um vielleicht doch den Todesfall, den sie vor Monaten in Armida vorhergesehen hatte, zu verhindern. Wenn Ariel doch nur nicht so eigensinnig darauf bestanden hätte, das Kind in Arilinn zu lassen! Nun war es zu spät, und der Junge war tot. Margaret spürte, wie ihr Tränen über die Wangen liefen, und die gewaltige Trauer um Ivor, die sie für überwunden gehalten hatte, kehrte mit voller Wucht zurück. Aber Ivor war alt gewesen, er hatte auf ein langes und erfülltes Leben zurückgeblickt. Domenic war ein neun Jahre altes Kind gewesen; sein Leben hatte kaum begonnen! Trotz aller vernünftigen Argumente hatte Margaret immer noch das Gefühl, die Tragödie wäre vermeidbar gewesen, wenn sie nur überzeugender und hartnäckiger aufgetreten wäre. Hätte sie doch nur in Armida nicht diese Vorahnung gehabt oder es zumindest fertig gebracht, sie besser zu verbergen. Wenn Ariel nicht so hochgegangen und bei einsetzendem Sommersturm mit einem schwerfälligen Zweispänner losgefahren wäre. Wenn, wenn … Hinterher war man immer schlauer.
Sie war sehr traurig, aber stärker noch waren ihre Schuldgefühle, als trüge sie die Verantwortung für den Tod des kleinen Jungen. Margaret kam sich vor wie eine Hexe. Ivor war bereits gestorben, und Dio lag auch im Sterben! Sie schüttelte sich und schimpfte sich eine entsetzliche Idiotin. Niemand konnte etwas dafür, aber sie wollte jemandem die Schuld geben, und die geeignetste Kandidatin war meist sie selbst. Es war nicht einmal Ariels Schuld. Margaret hegte allerdings den Verdacht, dass es ihrer Base nicht anders erging als ihr selbst und dass auch sie nach einem Sündenbock suchte. Wie nimmt es Ariel auf?
Ganz gut, den Umständen entsprechend. Aber ich würde ihr nicht erlauben, dich jetzt zu sehen.
Nein, das hieße mein Glück herausfordern. Ich gehe jetzt erst einmal zurück in mein Haus.
Margaret machte auf dem schmalen Weg kehrt und ging zu dem kleinen Haus zurück, das seit vier Monaten ihr Zuhause war. Es war
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