Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters
dann ging sie um den Tisch herum und schlüpfte neben ihm auf die Bank.
»Wozu muss ich lesen lernen?« »Weil du es können musst, wenn du in einen Turm gehst. Und wir werden über diesen Punkt nicht diskutieren – du wirst gehen, und wenn ich dich eigenhändig hinschleifen und dir zeigen muss, dass es dort gar nicht so fürchterlich ist.« Er wunderte sich über sich selbst, denn normalerweise war er nicht so energisch.
Ein störrischer Ausdruck huschte kurz über Illonas Gesicht.
»Ich glaube … ich könnte hingehen, wenn du mitkämst. Ich will es nicht, wohlgemerkt, und ich glaube, du benimmst dich nur so eigensinnig, weil du daran gewöhnt bist, dass du deinen Willen durchsetzt.« Domenic lachte schnaubend. »Ich weiß, du wirst mir nicht glauben, aber ich habe in meinem ganzen Leben so gut wie nie meinen Willen durchgesetzt. So, das hier ist dein Name, Illona Rider.« Er zeigte auf die Wörter, die er gerade geschrieben hatte. »Das sind die Buchstaben, und wie sie klingen, weißt du ja schon.« »So sieht mein Name aus?« Sie betrachtete die Schriftzeichen auf der Seite. »Schreib mal deinen.« Domenic tat wie gebeten und schrieb seinen vollständigen langen Namen auf das Blatt. Er beobachtete sie, wie sie die Buchstaben genau ansah, und überlegte dabei, dass er in diesem Moment ganz der Sohn seiner Mutter war, die ebenfalls den Leuten das Lesen beibrachte. Illona legte den Finger auf die Buchstaben ihres Namens und suchte dann die gleichen in seinem, während ihr Mund stumm die Laute dazu formte.
Nach einer Weile fragte sie: »Warum sind die Buchstaben am Anfang groß, und der Rest ist klein?« »Bei einem Namen schreibt man den Anfang eines jeden Wortes groß. Weißt du was, ich habe noch nie darüber nachgedacht, ich hab es einfach immer gemacht.« »Wie sieht es aus, wenn es kein Name ist?« »Warte – ich schreibe mal einen Satz.« »Wie lautet er?« »Illona und Domenic sind in Carcosa.« »Heißt das hier Carcosa?« Sie zeigte auf das letzte Wort.
»Ja. Woher weißt du das?« Domenic war klar, dass sie sehr intelligent war, aber sie schien wesentlich schneller zu lernen, als er gedacht hatte. Fing sie Hinweise aus seinem Kopf ab?
Nein, er merkte nichts davon, dass sie ihn abhörte. Dann kam ihm zu Bewusstsein, dass er es sehr genoss, sie zu unterrichten, und dass er nur nicht wollte, dass sie so schnell lernte, damit er länger mit ihr zusammen sein konnte.
»Ich … äh, habe nur das Ende von deinem Vornamen mit dem Buchstaben verglichen, den du größer geschrieben hast, das ist alles. War das falsch?« »Nein, Illona. Du bist eine sehr gute Schülerin.« »Schreib ein paar ganz normale Wörter – Brot und Regen und … ich will wissen, wie sie alle aussehen!« Domenic rührte sich nicht gleich. Dann zog er den gefalteten Brief an Marguerida zu sich, öffnete ihn und vermerkte am oberen Rand: »Bitte schicke mir umgehend ein Exemplar von deinem Buch mit den Volkssagen.« Dann wandte er sich wieder dem anderen Blatt zu und begann die Wörter aufzuschreiben, um die ihn Illona gebeten ha tte.
»Was hast du gerade in deinen Brief geschrieben?« »Ich habe meine Mutter gebeten, mir ein Buch zu schicken, das sie verfasst hat. Es wird dir gefallen, weil es voller Geschichten ist, und wenn du damit fertig bist, wirst du sehr gut lesen können.« »Du hast …« Sie stieß einen Laut des Erstaunens aus. »Deine Mutter ist Marguerida Alton-Hastur, richtig?« »Ja.« Illona schüttelte den Kopf. »Und du hast sie einfach gebeten, ein Buch zu schicken, als wäre sie … irgendwer. Du bist ein sehr merkwürdiger Mensch, Domenic Gabriel-Lewis.« »Sag einfach nur Domenic zu mir. Alle meine Freunde nennen mich so.« »Und ich bin deine Freundin?« »Das habe ich dir doch letzte Nacht schon gesagt.« »Ja, aber ich habe es nicht ganz geglaubt. Jetzt schreib Brot für mich.«
Es war später Nachmittag und es goss seit Stunden. Katherine Aldaran legte den Pinsel beiseite und rieb sich den Nacken.
Sie hatte die Zeit völlig vergessen. Sie warf einen raschen Blick auf die Holztafel auf der Staffelei und fand, dass es kein schlechter Anfang war.
»Bist du müde?”, fragte Gisela, die in einigem Abstand auf einem thronartigen Stuhl saß. »Ich bin es jedenfalls. Ich hätte nie gedacht, dass es so anstrengend sein kann, stillzusitzen!« »Verzeih mir – ich hab mich völlig in der Arbeit verloren. Normalerweise gehe ich nicht so gedankenlos mit meinen Modellen um.« »Es hat mir eigentlich nichts ausgemacht.
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