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Das Blumenorakel

Das Blumenorakel

Titel: Das Blumenorakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Flora lachen. Sie schaute auf, als sie an ihrer linken Seite eine Bewegung wahrnahm.
    Mit einem knappen Nicken in ihre Richtung rutschte ein Mann auf die Eckbank. Flora erwiderte seinen zurückhaltenden Gruß. Hannah war schon bei der nächsten Strophe angelangt, als Flora klar wurde, dass ihr Banknachbar niemand anderes war als dieser Friedrich Sonnenschein, der Sohn des alten Blumenhändlers, dem sie nach seinem Sturz geholfen hatten. Trübe starrte er in sein Bier und schien mit seinen Gedanken weit weg zu sein.
    Scheinbar hatte er Flora nicht wiedererkannt – sonst hätte er doch der Höflichkeit halber ein paar Worte mit ihr geredet, oder? Unter niedergeschlagenen Lidern schaute sie zu ihm hinüber.
    Friedrich Sonnenschein war ein Mensch, dem der liebe Gott keinerlei ungewöhnliche äußerliche Merkmale mitgegeben hatte: Seine Augen waren von einem blassen Hellblau, sie wirkten durchscheinend wie ein seichtes Gewässer. Der Mann hatte weder eine krumme noch eine zu große Nase, weder besondersschöne noch unschöne Haare, er war auch nicht von extrem großem oder kleinem Wuchs, sondern von durchschnittlicher Größe, dabei aber nicht drahtig oder sehnig, sondern eher etwas schwammig. Unwillkürlich fiel Floras Blick auf ihre eigenen Arme und Hände, denen man die Plackerei in der Gruber’schen Gärtnerei sehr wohl ansah. Aber hieß es nicht, Schwielen an den Händen seien die schönste Zier für eine fleißige Schwäbin? Sie lächelte verstohlen.
    Trotz seines unauffälligen Äußeren sah dieser Friedrich irgendwie nett aus. Freundlich und nicht so ungepflegt wie manch anderer Bursche in der Wirtschaft. Und –
    Â»Nochmals vielen Dank für die Hilfe, die Sie meinem Vater haben zukommen lassen!«
    Er hatte sie also doch erkannt! »Wie geht es ihm denn?«, fragte Flora höflich.
    Â»Er humpelt und hält sich die Hüfte, wenn er glaubt, niemand sieht es …« Friedrich Sonnenschein verzog das Gesicht. »Mein Vater will einfach nicht zugeben, dass er im letzten Jahr immer schwächer geworden ist. Als habe der liebe Gott ihm von heute auf morgen zehn Jahre auf den Buckel gepackt. Er wird schnell müde, und dann diese seltsamen Schwindelanfälle. Aber was soll ich machen? Ich musste heute früh nur kurz weg, danach wollte ich den Schnee räumen, aber so lange konnte mein lieber Herr Vater wieder nicht warten!«
    Friedrich atmete so tief aus, dass Flora einen Schwall Biergeruch abbekam. Mit gerunzelter Nase wich sie zurück.
    In dem Moment kam Hannah lachend und außer Atem an den Tisch zurück.
    Â»Du meine Güte, tun mir die Füße weh! Ach, der Sohn vom Blumenhändler«, sagte sie und fragte gleich darauf: »Flora, hast du auch noch Durst?« Sie hielt ihren Bierkrug in die Höhe und deutete in Richtung Tresen.
    Flora schüttelte den Kopf.
    Â»Na, dann unterhaltet euch schön.« Mit einem wohlwollenden Lächeln stapfte Hannah davon.
    Flora schaute ihr lächelnd nach. Wie gelöst und glücklich die Mutter wirkte, ganz in ihrem Element!
    Friedrich räusperte sich, als wolle er ihre Aufmerksamkeit zurückgewinnen. »Sie sind nicht von hier, nicht wahr?«
    Flora nickte. »Wir waren gerade erst angekommen und auf dem Weg hierher, als wir vom Bahnhof aus am Laden Ihres Vaters vorbeiliefen.« Mit knappen Worten schilderte sie den Grund für ihre Reise.
    Â»Eine Samenhändlerin sind Sie also! Früher kam ein älterer Herr zu uns, er stammte auch aus Gönningen, wenn ich mich recht erinnere. Damals hat mein Vater alle seine Blumen selbst gezogen, aber da ging es ihm gesundheitlich auch noch viel besser …« Friedrich seufzte.
    Â»Sie arbeiten in einer Trinkhalle, das ist bestimmt sehr interessant«, sagte Flora, wie um ihn abzulenken. Mutter hatte ihr das Gebäude, das ganz in der Nähe des Conversationshauses lag, zwar von weitem gezeigt, trotzdem konnte sie sich nicht im Geringsten vorstellen, was sich dahinter verbarg. Eine Art Gasthaus vielleicht?
    Friedrich schaute auf und antwortete mit unerwarteter Heftigkeit: »Meine Arbeit bedeutet mir alles, verstehen Sie? Von einem einfachen Hausmeisterposten habe ich mich in den letzten drei Jahren hochgearbeitet bis zum Verwalter der Trinkhalle. Auch das ganze Gelände ringsum untersteht meiner Obhut. Jede Sitzbank, die Kieswege, die Absperrungen, die Anpflanzungen – um all

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