Das Dampfhaus
nicht sofort getödtet. Mit einem Blutstrome quollen einige halb articulirte Worte aus seinem Munde.
Der Mörder beugte sich nieder, ergriff sein Opfer, hob es hoch auf und fragte, während er jetzt das volle Mondlicht auf sein Gesicht fallen ließ:
»Erkennst Du mich nun wieder?
– Er ist’s!« murmelte der Hindu.
Der entsetzliche Name des Fakirs war sein letztes Wort, als er an rascher Erstickung verendete.
Einen Augenblick danach verschwand der Körper des Hindu in den Fluthen der Doudhma, die ihn nicht wieder hergeben sollten.
Der Fakir wartete, bis das Plätschern der Wellen sich legte. – Dann kehrte er um, durchschritt die verlassene Gegend, hierauf die Stadttheile, in denen es allgemach stiller wurde, und begab sich schnellen Schrittes nach einem der Thore der Stadt. Eben dort angelangt, schlossen sich dessen Flügel. Einige Soldaten der königlichen Armee standen an demselben Wache. Der Fakir konnte entgegen seiner Absicht, Aurungabad nicht verlassen.
»Und ich muß doch hinaus, noch diese Nacht… oder niemals!« murmelte er für sich hin.
Er wandte sich zurück, folgte dem Wege längs des Glacis und erkletterte, zweihundert Schritt weiter, die Böschung, um nach dem oberen Theile des Festungswalles zu gelangen.
Dieser ragte nach außen zu um fünfzig Fuß über die Sohle des davor ausgehobenen Grabens empor. Seine Bekleidung bildete eine lothrechte Mauer ohne jeden Vorsprung, der als Stütze hätte dienen können. Es erschien ganz unmöglich, an dieser Wandfläche etwa hinabzugleiten. Mittels eines Strickes ließ sich das Hinabsteigen wohl bewerkstelligen, des Fakirs Lendengürtel maß aber nur wenige Fuß, war also ungeeignet, damit den Boden zu erreichen.
Der Fakir stand einen Augenblick still, forschte mit den Augen rings umher und überlegte, was er nun beginnen sollte.
Auf der Bekrönung des Walles breitete sich da und dort ein dunkles Blätterdach aus, die Wipfel großer Bäume, welche Aurungabad wie ein lebender Rahmen umfassen. Die Baumkronen aber hatten lange, biegsame und zähe Aeste, die ja vielleicht dazu zu benutzen waren, den Grund des Wallgrabens, wenn auch mit großer Gefahr, zu erreichen.
Als dem Fakir dieser Gedanke kam, zögerte er nicht länger. Er verschwand unter einem solchen Blätterdache und erschien bald wieder außerhalb der Mauer, am unteren Drittel eines langen Zweiges hängend, der sich unter seiner Last allmählich senkte. Als derselbe sich soweit gebogen hatte, um den oberen Saum der Mauer zu streifen, glitt der Fakir langsam nach abwärts, so als ob er ein Seil mit Knoten hielte. Bis fast zur Hälfte der Escarpe konnte er auf diese Weise wohl gelangen, noch immer trennten ihn aber gegen dreißig Fuß vom Erdboden, den er erreichen mußte, um entfliehen zu können.
Da hing er nun schwankend zwischen Himmel und Erde und suchte mit dem Fuß nach einem Einschnitt in der Mauer, um sich dagegen zu stemmen.
Der Flüchtling war bemerkt worden.
Plötzlich leuchteten mehrere Blitze durch das Dunkel. Einige Schüsse krachten. Der Flüchtling war von den Wachposten bemerkt worden. Diese gaben Feuer, doch ohne ihn zu treffen. Dagegen schlug zwei Zoll über seinem Kopfe eine Kugel durch den Zweig, der ihn hielt.
Das Gespräch kam wieder auf die Reise. (S. 24)
Zwanzig Secunden später riß der Zweig, und der Fakir fiel in den Wallgraben… Ein Anderer hätte dabei den Tod gefunden, er blieb heil und gesund.
Aufzuspringen, die gegenüber liegende Böschung unter einem Hagel von Kugeln, die ihn alle fehlten, zu erklimmen und in dem Dunkel der Nacht zu verschwinden, das war für den Fliehenden nur ein Spiel.
Zwei Meilen von hier aus eilte er, ohne bemerkt zu werden, am Cantonnement der englischen Truppen vorüber, welche außerhalb Aurungabads lagerten.
Zweihundert Schritte davon hielt er inne, drehte sich um und erhob die verstümmelte Hand drohend gegen die Stadt mit den Worten:
»Weh’ Denen, die noch in Dandu Pant’s Hände fallen! Engländer, Ihr seid mit Nana Sahib noch nicht zu Ende!«
Nana Sahib! diesen Kriegsnamen, den gefürchtetsten von allen blutigen Andenkens aus dem großen Aufstande von 1857, rief der Nabab noch einmal wie eine letzte Herausforderung den Eroberern Indiens zu.
Zweites Capitel.
Oberst Munro.
»Aber, lieber Maucler, begann der Ingenieur Banks zu mir, Sie sprechen von Ihrer Reise auch kein Sterbenswörtchen. Man sollte glauben, Sie hätten Paris noch gar nicht verlassen. Wie finden Sie Indien?
– Indien? erwiderte
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