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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Nikolajewitsch«, sagte jenseits des Bogenganges ein dicklicher Kapitän und gab Plenjakow die Hand. Dann blickte er auf seine Armbanduhr und nickte. »In einer halben Stunde kommt der Bus. Wir haben Zeit, uns umzuziehen.«
    »Wer kommt?« fragte Plenjakow erstaunt.
    »Der Trollybus!« Der Kapitän klopfte ihm auf die Schulter. »Und das schöne Uniförmchen mit den Medaillen ziehen wir schnell aus. Kommen Sie mit, Andrej. Wir haben für Sie einen schönen Jeansanzug besorgt. Extra genäht … bei Ihren 1,85 Metern Länge und Ihren verdammt breiten Schultern war das ein kleines Problem. Gott sei Dank hatten wir aus Ust-Katowskaja Ihre Maße per Funk bekommen.« Der kleine Dicke grinste breit. »Wir dürfen sogar wieder Gott sagen, merken Sie's? Es ist sogar Befehl, in der Bibel zu lesen. Na ja, Sie werden sich daran gewöhnen. Auch daran, daß ich alles, was Sie bei sich haben, kassiere, mein lieber Andrej.«
    »Alles?!«
    »Ohne Ausnahme! Kommt ins Magazin. Hier wird nichts geklaut. Hej, ich glaube, Sie sehen fantastisch in Jeans aus! Die Weiberchen werden wild werden und mit den Röcken wedeln –«
    »Hier? Frauen?« Plenjakow fuhr sich mit beiden Händen durch die gelockten mittelblonden Haare. Er war das, was man einen schönen Mann nennt. Ein Mensch, bei dem man stehenbleibt und ihm nachblickt, im Herzen das schwermütige Bohren bewundernder Eifersucht. »Das ist zu dick gelogen, Genosse.«
    »Sie sind hier im Paradies, sagt der General … glauben Sie es endlich, Andrej! Ich garantiere Ihnen: In einer halben Stunde sehen Sie die tollsten Mädchen zwischen Alaska und Neufundland! Körperchen, sage ich Ihnen! Und wenn Sie mit der Zunge schnalzen, wackeln sie mit dem Hintern als Antwort.«
    Er stieß Plenjakow, der plötzlich wie willenlos war, in einen Raum und trat hinter sich die Tür zu. Über einem großen Tisch lag ein blauer Jeansanzug mit Nieten, ein kariertes Hemd, ein rotes Halstuch und ein breitkrempiger amerikanischer Hut, ein sogenannter Stetson. Unter dem Tisch standen ein paar Boots aus Wildleder, Socken aus Nylonfrottee, grellgelb und mit rotem Rand. Auf einem anderen Tisch lag die Unterwäsche … Slips aus geblümter Baumwolle, ein Unterhemd mit dem grellblauen riesigen Aufdruck auf der Brust: The Rangers-Baskets, daneben eine Leinenmütze mit einem langen grünen Kunststoffschirm. Auch auf der Mütze, vorn, unübersehbar, schrie es Plenjakow entgegen: The Rangers-Baskets.
    »Na, ist das eine Wonne?« sagte der dicke Kapitän fröhlich. »Genosse, wenn Sie das angezogen haben, muß ich Alarm geben. Die Weiber werden sich die Blusen aufreißen bei Ihrem Anblick.«
    »Was soll das alles?« Plenjakow lehnte sich gegen die weißgetünchte Wand. »Ilja Saweliwitsch, was wird hier gespielt? Die undurchdringlichen Sperren, die dämlichen Reden vom Paradies, jetzt diese furchtbaren amerikanischen Lumpen, ein Trollybus soll mich abholen, Mädchen sind in der Nähe … das ist doch alles Irrsinn!«
    »Aber mit Methode, Andrej Nikolajewitsch. Ziehen Sie sich um. Erinnern Sie sich: Was hat man in Ust-Katowskaja am gründlichsten mit Ihnen durchgehämmert? Na? Überlegen Sie!«
    »Dechiffrieren –«
    »Nana …«
    »Überlebenstraining in extremen Situationen –«
    »Aber, aber, Andrej! Was Sie perfekt konnten, hat man noch perfekter gemacht.«
    »Meine englischen Sprachkenntnisse.«
    »Ja. Oder besser: Ihren amerikanischen Slang! Na? Leuchtet jetzt das Lämpchen auf?«
    »Nein«, sagte Plenjakow ehrlich.
    »Es ist wirklich schwer, das zu begreifen.« Der dicke Kapitän zeigte auf die Kleidung. »Ziehen Sie sich um, Andrej. In einer Viertelstunde kommt der Bus. Er wird Sie beim Sheriff absetzen –«
    »Wo?« fragte Plenjakow, völlig verwirrt.
    »Schon gut!« Ilja Saweliwitsch winkte ab. »Ziehen Sie sich um, Andrej. Schnell, schnell. Das kann man nicht erklären, das muß man sehen.«
    Später saß Plenjakow in einem Bus amerikanischer Bauart und kam sich sehr lächerlich vor in seinem genieteten Jeansanzug, dem karierten Hemd und der Schirmmütze mit dem dicken Aufdruck. Alle seine Sachen waren im Magazin geblieben, sauber beschriftet und katalogisiert. Ein Koffer, ein Packsack, eine Kalaschnikow mit Futteral, eine Makarow-Pistole, 9 mm, mit 50 Schuß Munition, eine Uniform, Rang Major, Schuhe, Unterwäsche, ein Karton mit Radio und Plattenspieler und 27 Schallplatten klassischer Musik. Verwahrt für Major Andrej Nikolajewitsch Plenjakow, zugereist aus Ust-Katowskaja, wohnhaft in Leningrad, II.

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