Das Echo Labyrinth 05 - Einfache Zauberdinge
keiner nach seiner Heuer gefragt, denn die Charterkosten haben all meine Ersparnisse verschlungen. Ich habe viel zu viele Matrosen angeheuert, doch ich wollte keinen enttäuschen. Heute Abend muss ich aber wohl die schlechte Nachricht verkünden, nicht alle mitnehmen zu können, und die Männer würfeln oder Streichhölzer ziehen lassen. Wissen Sie, meine Herren, manchmal glaube ich, der Talisman des alten Sochma Pu hilft mir tatsächlich. Seit ich ihn habe, läuft bei mir alles besser.«
»Sind Sie also nicht überzeugt, all Ihre Erfolge dem Talisman zu schulden?«, fragte ich verblüfft.
»Na ja, als ich jung war, habe ich mir von Sochmas Koffer alles Mögliche versprochen, doch heute sind meine Erwartungen so gering, dass ich den Talisman vor allem aus Sentimentalität an mich genommen habe. Inzwischen aber bin ich sicher, dass die Piraten aus Ukumbrien und die Familie Pu sich wirklich auskennen, was Magie angeht.«
»Haben Sie Ihren Talisman dabei?«, fragte Melifaro.
»Natürlich. Hier oben«, sagte Kao Anloch und zeigte auf sein Piratentuch.
»Nehmen Sie es bitte ab«, sagte Melifaro sanft. »Wir müssen es uns ansehen.«
»Gern«, sagte der Kapitän und tat, wie ihm geheißen. »Bekomme ich es zurück? Es mag dumm klingen, aber ich fürchte, ohne diesen Talisman mein frisch gewonnenes Selbstbewusstsein zu verlieren, und heute Abend laufen wir aus. Aber vielleicht wird aus der Reise nichts, weil Sie mich wegen Diebstahls verhaften. Schließlich habe ich keinen Beweis dafür, dass Sochma Pu uns den Koffer versprochen hat.«
»Warten Sie's ab«, sagte Melifaro und wedelte mit dem Piratentuch, um Kofa, der unser Gespräch nicht verfolgen konnte, auf das gute Stück aufmerksam zu machen.
»Ich hab schon verstanden«, flüsterte Sir Kofa hinter meinem Rücken.
Er trat zu uns und zog dabei rasch den Mantel aus, der ihn unsichtbar gemacht hatte. Dann nahm er die Wachsstöpsel aus den Ohren.
»Kannst du mir das Piratentuch geben? Ich würde es mir gern ansehen«, sagte er zu Melifaro.
»Oh, Sie habe ich gar nicht bemerkt«, rief Kao Anloch erstaunt. »Wann sind Sie an Bord gekommen?«
»Gerade eben«, erklärte Kofa kurz und bündig. Er nahm das Tuch, hielt es an seine Pfeife, in die ein Magieanzeiger montiert war, und nickte zufrieden. »Ich glaube, wir sollten miteinander eine Tasse Kamra trinken, Herr Kapitän. Wir müssen alles gründlich besprechen, denn ich weiß wirklich nicht, was ich mit Ihnen machen soll.«
»Vielleicht muss man gar nichts mit mir machen«, sagte Kao Anloch. »Schließlich habe ich niemandem schaden, sondern nur eine Weltreise machen wollen. Vielleicht wäre es mir dabei sogar gelungen, die Enzyklopädie von Sir Manga Melifaro um einen neunten Band zu bereichern.«
»Der neunte Band ist schon geschrieben und steht vor Ihnen«, rief ich und wies auf Melifaro, der höflich nickte.
»Mein Vater dürfte sich darüber freuen, wie sehr die Früchte seiner Kopfarbeit andere beschäftigen.«
»Sind Sie wirklich der Sohn von Sir Manga?«
»Ja, ich bin sein Jüngster«, sagte Melifaro.
Der Kapitän dachte nicht mehr an die drohende Verhaftung, sondern sah ihn verzückt an, als sei mein Kollege ein Popstar, den er um ein Autogramm bitten wollte.
»Wenn Sie uns nicht sofort zu einer Tasse Kamra einladen, verhafte ich Sie«, sagte Sir Kofa lächelnd. »Das ist Ihre einzige Chance, uns zu bestechen, Kapitän.«
»Verzeihung«, sagte Kao Anloch errötend. »Einen Sohn des großen Sir Manga kennen zu lernen, hat mich ganz durcheinandergebracht. «
Er führte uns in seine Kajüte, die einem Mädchenzimmer glich, und wir nahmen am Tisch Platz. Der Kapitän brummte eine Entschuldigung und verschwand, um Kamra zu kochen.
»Was machen wir mit diesem Mann?«, fragte Kofa.
»Auf keinen Fall verhaften wir ihn«, antwortete Melifaro. »Mein Vater würde es mir nie verzeihen, wenn ich einen seiner größten Verehrer festnehme, der zudem eine Weltreise plant.«
»Ich halte es auch für richtig, Sir Kao auf freiem Fuß zu lassen. Wenn einer der beiden am Diebstahl Beteiligten schon eine harte Strafe bekommen hat, muss man beim zweiten Dieb nicht mehr so streng sein. Arithmetisch gesehen verbüßen beide dann eine mittelschwere Strafe.«
»Kao Anloch wirkt auf euch offenbar sehr überzeugend«, sagte Kofa lächelnd. »Das liegt an seinem Talisman.«
»Du bist aber auch sehr angetan von ihm«, entgegnete ich. »Das sehe ich dir doch an. Warum hat uns dieser sympathische Kapitän bloß nicht
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