Das Fest Der Fliegen
umzingeln, wie sie einst unseren Herrn Jesus Christus umzingelt haben! Süßeste Himmelsbraut, Wonne aller Heiligen, bitte für uns!
Petrus peccator
Als Alexander Swoboda und Rüdiger Törring tags darauf, aus Kavalla kommend, eintrafen, hatte die Zungener Kripo unter Leitung von Kriminalrat Klantzammer den Vorgang in der Vermisstenakte Martina Matt zusammengefasst, den Namen in das Informationssystem der Polizei INPOL eingegeben, aber noch nicht zur Öffentlichkeitsfahndung ausgeschrieben. Als Swoboda las, dass man »aufgrund der Gesamtkonstellation ein Kapitaldelikt zum Nachteil der vermissten Person nicht ausschließen« könne, wurde ihm schlagartig übel. Er saß in dem für ihn wieder eingerichteten Büro im Präsidium und ließ sich von Klantzammer berichten. Sein Vorgesetzter hatte alles richtig gemacht. Vielleicht war der Eifer, den er an den Tag gelegt hatte, höher als gewöhnlich bei Vermisstenmeldungen. Als er die Galerie aufgebrochen vorgefunden und die zerstörten Bilder gesehen hatte, war auf seine Anordnung hin der Ort sofort großräumig abgesperrt und nach allen Regeln der polizeilichen Spurenanalyse untersucht worden. Im Umkreis der Galerie von etwa achthundert Metern durchkämmte die angeforderte Hundertschaft jedes Haus, jeden Hof, alle Mülleimer, Klantzammer hatte sich selbst an der Spurensuche beteiligt, Spürhunde einsetzen lassen und jedes erdenkliche Szenario mit seinem Stab durchgesprochen. Es war die Kriminalhauptmeisterin Sibylle Lingenfelser, die sich bei der üblichen Frage nach Feinden von Martina und Alexander an den Auftritt von Otto Sinzinger nach der Bestattung von Klara Matt erinnerte, an die Beschuldigungen, die der Alte, bevor ihn der Hirnschlag traf, Swoboda ins Gesicht geschrien hatte. Am Abend des Durchsuchungstages fanden Spurensicherer in den Abfallcontainern des Baustoffhandels Ehrlicher zwei Sektgläser, eines davon zerbrochen, und eine Proseccoflasche, die zum Abgleich der Fingerabdrücke sichergestellt wurden. Offenbar hatten sie, bevor sie weggeworfen worden waren, auf dem Galerietisch klebrige Ringe hinterlassen. In einem anderen Container entdeckte man ein Brecheisen, das möglicherweise sowohl zur gewaltsamen Öffnung der Galerietür als auch zur Zerstörung einiger Bilder benutzt worden war. Am Morgen darauf erschnüffelte ein Spürhund Martinas Schlüssel an der Straßenecke, wo die kleine Mahrbrücke begann. Mittags war das Team sich einig, dass der Racheakt Swoboda gegolten hatte, und man suchte nach Personen, die dafür infrage kamen. Unter denen, die von ihm überführt worden waren, blieb nach Durchsicht der Fälle eine kurze Liste übrig, an deren Spitze ein in Zungen hoch geachteter Name stand: Sinzinger. Diese Familie hatte, anders als die übrigen Verdächtigen, ein Doppelmotiv für den Racheakt. Nun konnte man dem größten Unternehmer der Stadt nicht mit einer polizeilichen Vorladung kommen. Fingerspitzengefühl war nötig. Immerhin spendete die Brauerei auch für das Polizeiorchester, das Klantzammer zwar nicht leiden konnte, das aber für das Gemeinschaftsgefühl der Truppe angeblich unverzichtbar war. Er entschied sich, selbst Xaver Sinzinger aufzusuchen. Dessen Frau gab ihrem Gatten für den anzunehmenden Tatzeitraum, ohne zu zögern, ein Alibi. Das war vorauszusehen und der Kriminalrat maß den Aussagen der Gattin keinen Wert bei. Sinzinger wiederum nahm Klantzammers Fragen nicht ernst, hielt das Ganze für eine groteske Konstruktion und war gern bereit, seine Fingerabdrücke nehmen zu lassen, um sich möglichst schnell von jedem Verdacht zu entlasten. Eine Stunde später hatte die Untersuchungsrichterin nach Vorlage des Spurenberichts einen Haftbefehl gegen ihn ausgestellt. Als Swoboda davon erfuhr, saß Xaver Sinzinger bereits im Verhörraum und erzählte Sibylle Lingenfelser zum wiederholten Mal, dass er zu Hause gewesen sei und die Galerie Niehaus am Neldaplatz seit mindestens einem Jahr nicht mehr betreten habe. Er sei nicht einmal zur Vernissage der Ausstellung SWOBODA 1 gegangen. Selbstverständlich habe er sich das Porträt seines Vaters, das »Alex hingeschmiert« hatte, nicht ansehen wollen.
Klantzammer stand hinter Swoboda und legte ihm die Hand auf die Schulter, eine Geste, die er sich während der Dienstzeit seines Hauptkommissars nie erlaubt hatte und die für ihn ein Höchstmaß an Vertraulichkeit bedeutete. »Du darfst es zwar nicht mehr, aber in diesem Fall erlaube ich dir, dass du durch die Scheibe zusiehst. Ich nehme ihn mir
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