Das Frauenkomplott
ziemlich doof ist. Diese Frau war aber wirklich umwerfend schön. Dieser zweite Satz platzte direkt in meinem Kopf.
Und sie war nicht nur schön, sondern auch freundlich. Sie schaute mich neugierig, offen und liebenswürdig an.
»Ich habe der jungen Dame einen Platz bei uns angeboten«, sagte der Asket und sie nickte daraufhin zustimmend, begrüßte mich und reichte mir überraschenderweise über den kleinen Laptoptisch hinweg ihre Hand. Noch nicht einmal über den Handschlag konnte ich meckern. Ich mag nämlich nicht, wenn man mir bei der Begrüßung die feuchtwarme Hand über die Handinnenfläche zieht, bevor ich sie greifen kann. Sie hatte einen festen Händedruck und beneidenswert energische und schlanke Finger. Ich war sprachlos.
In dem komfortablen 6-Personen-Abteil saßen doch tatsächlich nur die beiden und ein weiterer Mann, der die neue ZEIT las. Der Asket setzte sich lächelnd seiner Begleitung gegenüber, nahm sofort seine Zeitung, nickte mir zu und begann zu lesen. Konversation war also nicht geplant. Das war mir recht. Außer »Guten Tag« hatte ich bis jetzt in diesem Abteil nichts gesagt.
Nun ergänzte ich »Vielen Dank«, setzte mich auf den Platz am Gang neben der Tür und legte den Rucksack zu meinen Füßen nieder. Umständlich kramte ich einen Krimi aus dem Sack und versuchte mich erneut in die Handlung einzufädeln. Da ich das letzte Kapitel vor drei Wochen gelesen hatte, stieg ich einfach irgendwo ein, und starrte ein wenig zerstreut auf die Zeilen. Ich konnte den Faden nicht wiederaufnehmen.
Also schaute ich aus dem Fenster meines Ganges und ab und zu interessiert auch durch das andere Fenster in die Landschaft. Denn ich war einfach neugierig auf dieses seltsame Paar. Sie saß mir schräg gegenüber und hatte ihre Füße auf seinen edlen Beinzwirn gelegt. Gelegentlich kraulte sie ihn mit ihren Zehen an der Innenseite seiner Weberknechtbeine, schaute kurz von ihrem Buch auf und lächelte ihn an. Mit einer beiläufigen Bewegung strich sie sich ab und zu ihre goldbraunen, seidigen Haare hinter das rechte Ohr. Sie las einen französischen Krimi im Original, den ich schon auf Deutsch zu verwirrend gefunden hatte. Meine Bewunderung und auch mein Neid wuchsen schlagartig. Was konnte diese Frau noch alles? Ich habe mich zwangsweise während des Studiums mit Sprachen herumgeschlagen, kann einige lesen, aber sprechen kann ich nur Deutsch. Das dafür aber richtig.
Sie schien mir immer perfekter zu werden. Was hatte dieser schöne Schwan mit dem hageren Hahn? Aber irgendwas war es wohl. Mir offenbarte sich das jedenfalls nicht bis Hannover. Er las die ganze Zeit ein Finanzblatt und auf der Ablage lag ein Fachbuch über Ratingverfahren – er schien wirklich richtig in seine Lektüre vertieft. Er war sich seiner Freundin sehr sicher. Oder war es seine Frau? Ich warf einen Blick auf die Hände, aber viele Menschen halten es ja für modern, sich nicht mit Eheringen zu outen. Dass sie keine Ringe hatten, musste also nichts bedeuten.
Ab Stendal grübelte ich über ihr Alter und den Altersunterschied der beiden. Sie war höchstens Ende 20, möglicherweise noch jünger, ihn hatte ich vorhin auf Ende 50 taxiert. Weil mir als emanzipierter Frau dieser Altersunterschied so unverschämt abwegig vorkam, versuchte ich ihm nun aufgrund glatter Haut Pluspunkte zu geben, musste zudem meine persönliche Aversion gegen Weberknechte in Rechnung stellen, die mich ihn vielleicht so alt schätzen ließ und zog ihm zwei weitere Jahre ab. Aber ich konnte mich nicht wirklich überzeugen und so schätzte ich ihn zu guter Letzt mit viel Wohlwollen auf 56 Jahre. Um die 25 Jahre Altersunterschied gehört ja für manche Männer zum guten Ton, aber eine so schöne und klug wirkende Frau, was hatte sie von ihm? Vielleicht lag es doch an der erotischen Stimme, die für sie alles rausriss. Außerdem war er ja ein sehr höflicher und freundlicher Mensch.
Sie legte ihren Krimi beiseite und stützte ihre Hände auf die Armlehne, um sich zu erheben. Sofort stand er senkrecht, sah sie an. Sie lächelte und nickte leicht, er hob ihr die kleine Lederreisetasche von der Ablage und zog sogar noch den Griff des Trollis raus. Mit dem gleichen angedeuteten Kopfnicken hauchte sie: »Danke«, und reichte ihm den französischen Krimi, den er ordentlich in die vordere Reißverschlusstasche packte.
Das ist doch was: Sofort strammstehen, wenn eine Frau was will. Bei mir tut das niemand. Ich schaute an mir herunter. Aber ich habe mich schon oft
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