Das Frauenkomplott
1. Kapitel
Es gibt Tage, an denen man morgens schon merkt, dass daraus nichts wird. Ich hatte heute solch einen Tag hinter mir. Ehrlich gesagt, waren in der letzten Zeit fast alle meine Tage so. Den letzten wirklich guten Tag hatte ich vor mehr als einem Jahr. Für einen Aufsatz in einer Kunstzeitschrift war gerade ein akzeptables Honorar auf meinem Konto eingegangen, ich war auf dem Land bei Ruth, saß auf der Bank vor ihrer Küche, trank ein Glas trockenen Weißwein und fand mich ganz passabel, weil ich gerade drei Kilogramm schlanker war als normalerweise. Es gab nichts, was meine Stimmung störte, sogar das Wetter spielte mit. 25 Grad, nicht zu heiß, nicht zu kalt, nicht zu feucht. Ich hasse feucht-heißes Wetter – vor allem in Berlin.
Der Tag, den ich heute hinter mir hatte, gehörte wieder nicht zu diesen goldenen Tagen. Ich war morgens schon mit Bauchschmerzen aufgestanden und sah aus wie ein Hammerhai. Ich hatte schlecht geschlafen, mich die halbe Nacht im Bett gewälzt. Meine Regel kündigte sich an, die mich normalerweise für mindestens eine Woche lahmlegte: drei Tage vorher, drei Tage hinterher. Wofür nur?
Ich habe keine Kinder und wenn mein Leben so weitergeht, wird sich das auch nicht ändern. Ich bin 37 und habe im Moment ohnehin keine Ahnung, wie ich ein Kind aufziehen sollte. Ich schaffe es kaum, mich selbst einigermaßen über Wasser zu halten. Wer wie ich von einem freien Auftrag zum nächsten hangelt, um zu überleben, hat keine Zeit, in Ruhe über die Zukunft nachzudenken. Die Zukunft findet bei mir in der nächsten Minute statt. Alles entscheidet sich immer heute.
Und heute hatte sich für mich gerade entschieden, dass meine Zukunft erst einmal ein Ende gefunden hatte. Der Kustos Jerôme Kramer, der seit fast drei Jahren an meinem Untergang mitwirkt, kam mittags an meinen Schreibtisch. Ich war gerade dabei, die Korrekturen für einen Katalog zusammenzutragen, der die Ende des Sommers startende Ausstellung »Grafik der Moderne zwischen Kitsch und Kunst« begleitet, für deren Vorbereitung ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin auf Honorarbasis eingestellt war. Mein Spezialgebiet.
Jerôme hockte sich ungeniert mit einer Gesäßbacke auf meinen Schreibtisch und schob den Ausdruck mit meinen Korrekturen lässig zur Seite.
»Carolin …«
Wenn ich höre, wie Jerôme, weil ihn seine Mutter unglücklicherweise in einem Anfall von Frankophilie Jerôme genannt hatte, meinen wunderbaren Namen Karoline französisch intoniert, muss ich mich immer zusammennehmen und tief durchatmen, um mich nicht zu irgendetwas hinreißen zu lassen. Heute aber mischte sich in seine eitle Affektiertheit noch ein gewisser Ton von Bösartigkeit – die andere Seite seines Charakters.
»Bedauerlischerweise at die Museumsleitung deinen Vertrag nischt verlängert.«
Jerôme hatte mehrere Jahre in Frankreich studiert und dort auch gearbeitet, und dieser Aufenthalt hatte ihn so nachhaltig geprägt, dass er den französischen Akzent nicht mehr ablegen mochte. Er hoffte damit besonders bei den Praktikantinnen zu reüssieren. Die letzten Jahre hatte ich seine nasalen Dummheiten mit der Langmut einer auf den Job angewiesenen Honorarkraft über mich ergehen lassen. Das konnte ich nun nicht mehr. Seit mehr als drei Jahren hatte ich regelmäßig um ein halbes Jahr verlängerte Honorarverträge erhalten. Ich hatte dafür die unterschiedlichsten Finanzierungstöpfe aufgetan, immer in der Hoffnung, dadurch möglicherweise eines Tages eine feste Stelle zu bekommen. Ich kam mir bei dieser Suche vor wie ein Hund, dem man immer wieder die Ahnung einer Wurst vor die Nase hält.
Jerôme hatte als Kustos auf der letzten Sitzung des Senats die Verlängerung darstellen und mich für ein Folgeprojekt vorschlagen sollen. Mir war schon vorher mulmig gewesen, da er ja nur mein zehntbester Freund ist.
»Es tut mir wirklisch leid. Aber es konnte nur eine Stelle verlängert werden, und da at sisch die Konferenz dafür ausgesprochen, Melanies 10-Stunden-Vertrag zu verlängern. Das ist für das Museum günstiger.«
Meine Wurst war also von einem anderen Hund gefressen worden. Ich hatte eigentlich nichts gegen Melanie. Jerôme allerdings auch nicht. Vor einem halben Jahr war sie mit eingestiegen in das Projekt und letzten Sonnabend, als mein Blick im Vorbeigehen durch die Fenster im Café Einstein fiel, hatte ich Jerôme und sie dort sitzen sehen.
Ich sah zu Jerôme auf, wie er lässig und selbstgefällig mit seinem Hinterteil meinen
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