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Das Gold von Caxamalca

Titel: Das Gold von Caxamalca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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über ihn her, indem er sich mit beiden Händen an seinen Hals krallte, so daß José Maria Lopez röchelnd niederstürzte.
    Ein anderes Mal wieder gingen mehrere hinter einem peruanischen Träger her, der beladen mit goldnem Geschirr eintraf, und rissen ihm die Last mit einem Ungestüm vom Rücken, als wollten sie die Haut mitreißen, dann zählten und zählten sie, wogen und prüften mit zitternden Fingern und sahen einander an wie Wölfe.
    Solcherart erfuhr Atahuallpa, daß das Gold eine Wirkung auf uns alle hatte, schlimmer als auf sein Volk der berauschende Chicha, dessen Genuß nur an gewissen Tempelfesten verstattet war. Aber er mußte sich sagen: das gelbe Metall können sie nicht trinken; nur durch die Augen schlürfen sie seinen Schimmer und seine Farbe; was teilt es ihnen mit? Was verspricht es ihnen? Sie schmücken sich nicht damit, sie sind schmucklos am Leibe wie Schatten; was fruchtet es ihnen, Gold zu besitzen?
    Sicherlich hegte er ähnliche Gedanken, auch gab er ihnen gegen Hernando de Soto wunderlichen Ausdruck. Er sagte ungefähr, wir seien ohne den tiefen Gehorsam, die Folgsamkeit des Blutes, die im Führer den himmlisch Erlesenen sieht, die Menschensonne; wenn wir uns dem Herrn fügten, geschehe es mit heimlicher Aufsässigkeit und verborgenem Groll, als ob wir gleiche Rechte hätten wie er und gleichen Anspruch auf alle Güter der Welt und es nur nicht wagten, uns wider ihn aufzulehnen, weil er möglicherweise Wege wußte oder Zauberformeln kannte, die uns nicht zugänglich waren. Warum, fragte er voll Verwunderung, schlagen sie in Falschheit die Augen vor ihm nieder und öffnen sie schamlos und verfolgen ihn mit ihren Blicken, sobald er sich von ihnen abgekehrt hat?
    Hernando de Soto fand darauf keine Antwort, und er verhehlte mir nicht, daß er vor dem Inka gestanden sei wie ein törichter Schüler. Und mir wurde sein inneres Leben nach und nach zur Vision; mit seinen Augen sah ich die zunehmende Ungeduld meiner Gefährten, mit seinen Augen die Mienen voll Haß und Besorgnis. Ich begriff, daß ihm kein noch so schrecklicher Traum die Ahnung davon vermittelt hatte, daß solche Wesen auf der Erde existierten, wie wir waren. Und als er es erfuhr und diese Wesen kennenlernte, senkte sich die unermeßliche Melancholie über ihn, die sein Herz und seinen Arm lähmte und geschehen ließ, was uns so rätselhaft war: daß er sich ohne Widerstand in sein Schicksal ergab und keinen heimlichen Befehl dazu an seine Untertanen sandte; daß Hunderttausende von bewaffneten Kriegern untätig verharrten, eine Armee von Liebenden, denen der Fürst Kern und Merkziel des Daseins war, und die nur seines Augenwinks bedurft hätten, und die dreihundert Eindringlinge hätten die beleidigte Erde mit ihrem Blut getränkt.
    Dies Nicht-Tun ging von Atahuallpa aus, von seinem tiefen Wissen um den Geist der Finsternis, der die Herrschaft angetreten hatte und gegen den sich wehren vergeblich war. Ich weiß wohl, was ich hier sage und nehme es auf mich und halte jedem stand, der mich als einen Christen für solch ein Wort zur Rechenschaft ziehen will; aber war das Christensinn und Christenlehre, unser großer Glaube und heiliges Symbol, was durch das Land sich verbreitete wie unheilbare Krankheit? Das Land war krank; die Seelen seiner Bewohner waren krank; Ekel und Grauen umdüsterte es, und Ekel und Grauen strömte von seinem Lebensmark aus, von Atahuallpa, der ihr Gipfel und ihre Erfüllung war, und der zusehen mußte, wie die Fremdlinge die Tempel plünderten, die Sonnenjungfrauen entehrten, die Gärten verwüsteten, die Felder zertraten, sein überliefertes sakrales Eigentum, alles seit abertausend Jahren. Er konnte nicht dawider handeln; die Welt war unrein geworden, und seine Erfahrung teilte sich dem Volke mit und kehrte als Echo in den nächtlichen Gesängen zu ihm zurück, in denen die nagendste Trostlosigkeit und das Vorgefühl des Untergangs war.

Kapitel 14
    Man brachte dem Inka einen kugelförmigen Opal, der Huoco gehörte, seiner Lieblingsschwester und –gattin, die auf einer Insel im Titicacasee lebte. Sie ließ ihm durch den Überbringer sagen, daß sie zum Tod bereit sei und daß sie sterben werde, sobald er ihr den Befehl dazu erteile.
    Er schaute den herrlichen Stein schweigend an, und seine Diener und jungen Frauen wandten die Blicke von ihm ab.
    Man brachte ihm auch den gezähmten Puma, der im Garten des königlichen Schlosses stets zu seinen Füßen gelegen war. Das Tier war traurig, weigerte die

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