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- Das Haus der kalten Herzen

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Titel: - Das Haus der kalten Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Singleton
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einem Mal hatte sie so viele Fragen. Ihr Körper schmerzte, als ob längst vergessene blaue Flecken aufblühten. Sie verspürte den Drang, aufzuspringen und loszuschreien. Stattdessen holte sie Luft und schluckte alles hinunter. Sie legte das Besteck auf den Teller.
    Zum Nachtisch servierte Aurelia einen süßen Kuchen mit einer duftenden Zitronensauce, aber Mercy konnte ihn nicht essen.
    »Vater«, sagte Charity, die endlich ihre Gabel auf ihren Teller legte. »Ich wollte dich etwas fragen.«
    Mit ihrem Charme hatte sie ihn auf diesen Moment hingeführt und gefügig gemacht.
    Mercy erstarrte, aber Trajan traf die nun folgende Frage völlig unvorbereitet.
    »Was ist mit unserer Mutter passiert?«
    Galatea hustete plötzlich los.
    »Ich kann mich kaum an sie erinnern«, fuhr Charity fort. »Ich hatte mir immer vorgestellt, sie wäre gestorben, aber Mercy hat gesagt, sie ist nicht auf die Beerdigung gegangen. Sie ist doch gestorben, nicht?«
    Mercy starrte ihren Vater an. Sein Gesicht hatte sich auf subtile Weise verändert, seine Wangen hatten einen seltsam gelblichen Ton angenommen. Sie sah, wie seine Finger weiß wurden, als er sein Glas ergriff.
    Die Gouvernante hustete abermals.
    Mercy starrte Trajans Hand an. Er packte zu fest zu. Das Glas zersprang. Er öffnete die Finger und Blut und Wein und scharfe Splitter waren in der Hand zu sehen.
    »Charity«, sagte Galatea. »Frage deinen Vater nicht nach diesen Dingen. Siehst du denn nicht, dass es ihn aufregt? Ich werde später mit dir reden.«
    Trajan stand plötzlich auf. »Ich danke für eure Gesellschaft«, sagte er zu seinen Töchtern. »Das haben wir schon zu lange nicht mehr gemacht. Wir werden bald wieder gemeinsam essen. Ich muss … ich muss meine Hand versorgen.«
    Steif verließ er den Saal, dabei stieß er gegen einen Beistelltisch, als könnte er nichts sehen. Als die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, nahm Charity ihre Gabel wieder in die Hand und fing an zu summen.
    »Charity!«, keifte Galatea. »Schweig. Sei still. Siehst du nicht, wie sehr du deinen Vater betrübt hast?«
    »Ich hab nur eine Frage gestellt«, sagte Charity und blickte durch lange Wimpern auf. »Sie war immerhin meine Mutter. Da werde ich doch wohl wissen dürfen, was ihr zugestoßen ist? Erzählst du es mir?«
    Die Gouvernante presste die Lippen aufeinander. Sie hielt einen Augenblick inne und dachte nach. »Deine Mutter ist gestorben«, sagte sie. »Vor einigen Jahren.«
    »Wie ist sie gestorben? Warum sind wir nicht zur Beerdigung gegangen?«
    »Sie ist auf einer Reise gestorben, im Ausland, in der alten Heimat. Sie wurde krank und man hat sie dort beerdigt. Deshalb seid ihr nicht zur Beerdigung gegangen, denn ihr wart hier, in Century. Euer Leben ist sicher nicht … ideal verlaufen.«
    Mercy hob den Kopf. Sie wusste, dass Galatea log, sie konnte es an ihrem Tonfall hören. Sie erinnerte sich an Claudius’ Warnung, ihr nichts zu glauben. Jetzt schien es ihr, als hätten seine Worte sich bestätigt. Ihre Mutter war nicht in der alten Heimat gestorben, da war sie sich sicher.
    »Weißt du, ob es ein Porträt von meiner Mutter gibt?«, fragte sie leise.
    »Ich glaube, es gab eines«, sagte Galatea. »Euer Vater war so unglücklich, als sie starb, dass er alle Bilder abnehmen ließ. Und er hat den größten Teil von Century abgesperrt. Es war ja so sehr ihr Haus, müsst ihr wissen.«
    »Wie lange ist es her, dass Mutter gestorben ist? Wie alt war ich?« Mercy sprach langsam. Jetzt war sie zwölf, dachte sie, aber sie konnte sich genauso wenig an ihren letzten Geburtstag erinnern wie an die Beerdigung.
    »Das ist lange her«, sagte Galatea. »Ich weiß nicht mehr genau, wie lange. So – das reicht jetzt. Keine Fragen mehr heute Abend. Wir ziehen uns jetzt ins Spielzimmer zurück, dort dürft ihr bis zur Schlafenszeit an eurer Stickerei weiterarbeiten.«
    Am freundlich prasselnden Feuer stickte Mercy bei Kerzenschein die Blüten weißer Blumen. Die mühsame Arbeit beruhigte ihren Geist. Zur anderen Seite des Kamins hatte Charity ihre Füße auf einen Schemel gelegt und starrte in die Flammen, ab und zu seufzte sie. Galatea saß zwischen den beiden, sie hatte Charitys Wunsch nach einer Geschichte nachgegeben und las ein Märchen von einer Gänsehirtin ohne Schatten vor.
    Als die Geschichte zu Ende war, sagte Mercy Gute Nacht und ging wieder in ihr Zimmer. Vorher ging sie jedoch noch einmal ihren morgendlichen Weg durch die Korridore ab, vorbei an den hohen Fenstern und bis zu dem

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