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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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irgendwo in der Nähe der Werkstatt seine verzerrten Nachrichten aus. Manchmal schaltete Whitey ihn ab und pumpte Musik auf den Vorplatz. Ich sammelte Bonbonpapier, Zigarettenkippen, Losnieten und allen anderen Müll ein, der sich im Kies des Parkplatzes und im Unkraut am Straßenrand ausgebreitet hatte. Ich holte den Schlauch und goss schon wieder ein Traktorreifenbeet, ein gelb angemaltes diesmal, mit einem Ring aus silbrigen Salbeiblättern um ein Zentrum aus Feuerlilien, denselben, die ich auch für meine Mutter eingepflanzt hatte.
    Whitey zapfte das Benzin, wenn Kunden kamen, prüfte den Ölstand und plauderte. Ich putzte die Autoscheiben. Sonja hatte eine Bunn-Kaffeemaschine angeschafft, und Whitey hatte in der Ostecke des Ladens zwei hölzerne Sitznischen eingebaut. Die erste Tasse von Sonjas Kaffee kostete zehn Cent, und Nachfüllen war gratis, daher waren die Sitznischen immer voll besetzt. Clemence lieferte alle paar Tage Gebäck, und es gab Bananenbrot, Rührkuchen und ein großes Glas mit Haferkeksen. Jeden Tag um die Mittagszeit fragte Whitey mich, ob ich Lust auf ein Rez-Steak-Sandwich hätte, und dann bereitete er uns ein Weißbrot mit Wurst und Mayonnaise. Nachmittags machte erst Whitey seine Pause, und wenn er wiederkam, fuhr Sonja nachHause, um sich kurz hinzulegen. Sie arbeiteten beide bis sieben Uhr. Die ersten Jahre über wollten sie sich die Gehaltskosten sparen, nur für den Anfang. Später sollte dann eine Vollzeitkraft dazukommen, damit sie bis neun Uhr geöffnet haben konnten. Ich bekam einen Dollar pro Stunde, Eis, Limo, Milch und die Kekse unten im Glas.
    Als ich nach Hause kam, erwartete mich mein Vater.
    Wie war die Arbeit?
    Ganz gut.
    Mein Vater musterte seine Fingerknöchel, öffnete und schloss die Faust, runzelte die Brauen. Er begann mit seiner Hand zu sprechen, wie er es immer tat, wenn er etwas, das er zu sagen hatte, nicht aussprechen mochte.
    Ich musste deine Mutter heute nach Minot runterbringen. Ins Krankenhaus. Sie behalten sie ein paar Tage da. Ich will morgen wieder hin.
    Ich fragte, ob ich mitkommen könne, aber er sagte, es gäbe dort nichts für mich zu tun.
    Sie muss sich einfach nur ausruhen.
    Sie schläft die ganze Zeit.
    Ich weiß. Er zögerte, dann sah er mich endlich an, eine Erleichterung. Sie weiß, wer es war, sagte er. Natürlich. Aber sie will es mir immer noch nicht sagen, Joe. Sie muss erst seine Drohungen überwinden.
    Hast du Vermutungen?
    Das kann ich nicht sagen, das weißt du.
    Aber ich sollte es wissen. Kommt er hier aus der Gegend, Dad?
    Das würde passen … aber er wird hier nicht auftauchen. Er weiß, dass er dann erwischt wird. Es wird jemanden geben, den deine Mutter identifizieren kann, sagte er, und zwar bald. Nicht bald genug. Wenn das erst mal losgeht, wird es ihr bessergehen. Ich bin sicher, dass sie sich auch erinnern wird, wo es war. Zu reden wird ein Schock. Aber dann eine Erlösung.
    Was ist mit Mayla Wolfskin? Hat er sie noch bei sich? Und das Baby? War es das Baby, das der Gouverneur adoptieren wollte?
    Im Gesicht meines Vaters las ich ein Ja. Aber er sagte nur: Ich wünschte, du hättest das alles nicht mit anhören müssen, Joe. Aber ich konnte deine Mutter nicht unterbrechen. Ich hatte Angst, dass sie nicht weiterreden würde.
    Ich nickte. Den ganzen Tag waren die Worte meiner Mutter durch die Oberfläche aller meiner Handlungen hervorgequollen wie dunkles Öl.
    Normalerweise hätte sie nie in deiner Gegenwart beschrieben, was passiert ist.
    Ich musste es wissen. Es ist gut, dass ich es weiß, sagte ich.
    Aber es war Gift für mich, das begann ich immer deutlicher zu fühlen.
    Ich muss morgen wieder da runter, sagte mein Vater. Willst du bei Tante Clemence übernachten oder bei Onkel Whitey?
    Ich schlafe bei Whitey und Sonja. Dann können sie mich gleich zur Arbeit mitnehmen.
    Am nächsten Abend nach der Arbeit fuhr ich mit Sonja und Whitey zum alten Haus. Pearl hatten wir auch dabei. Clemence wollte im Haus meiner Eltern nach dem Rechten sehen und den Garten gießen, also hatten wir alles abgeschlossen, und ich musste eine Weile nicht hin. Und das machte mich glücklich. Bald würden wir Mooshums Geburtstag feiern. Es würden jede Menge Leute kommen. Ich würde meine Cousins wiedersehen. Aber fürs Erste fühlte es sich für mich wie ein Urlaub an, bei Sonja und Whitey zu übernachten. Alles konnte so normal sein. Ich würde bei ihnen auf dem Sofa schlafen und abends fernsehen. Bei Whitey gab es ganz verschiedene Sorten Essen,

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