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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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mir jetzt sagen, wo das Geld ist? Das Geld, das er dir gegeben hat? Ach ja?Jetzt willst du? Wo? Er riss das Klebeband runter. Sie konnte nichts sagen, dann japste sie: Im Auto.
    In dem Moment hätte er sie umgebracht, glaube ich, aber das Baby regte sich. Das Baby schrie auf und blinzelte und sah ihm verständnislos ins Gesicht. Ach, sagte er. Das ist doch. Das ist doch.
    Sag nichts. Ich will nichts mehr hören, sagte er zu Mayla. Du bist immer noch Gold wert, sagte er zu dem Baby. Dich nehme ich mit … es sei denn, ihr Drecksäue … Er stand auf und trat mich und ging zurück und trat Mayla so fest, dass sie keuchte. Dann beugte er sich über mich und sah mich an. Er sagte: Tut mir leid, ich fürchte, ich habe gerade einen Schub. Ich bin eigentlich kein schlechter Mensch. Habe ich Ihnen auch nicht wehgetan? Er hob das Baby hoch und sagte mit Babystimme zu ihm: Was mach ich bloß mit dem Beweismaterial. Ich Dummerchen. Vielleicht sollte ich es verbrennen. Weißt du, die beiden da sind nur Beweismaterial. Er setzte die Kleine behutsam auf den Boden. Er schraubte den Kanister auf. Als er mir den Rücken zudrehte und Mayla mit Benzin übergoss, habe ich mir seine Hose geschnappt und sie mir zwischen die Beine geklemmt und draufgepinkelt, draufgepinkelt habe ich! Ich hatte nämlich gesehen, wie er sich eine Zigarette angezündet und die Streichhölzer wieder weggesteckt hatte. Es wunderte mich, dass er nicht merkte, wie nass seine Hose war, aber er war so auf das konzentriert, was er vorhatte. Und er zitterte. Er sagte: O nein, o nein. Er goss noch mehr Benzin über Mayla aus, und dann begoss er mich auch, aber nicht das Baby. Und dann, und dann, als er das Feuer mit den Streichhölzern aus seiner Hosentasche nicht in Gang kriegte, drehte er sich um und sah das Baby finster an. Es fing an zu weinen, und wir, Mayla und ich, lagen ganz still, und er ging sie trösten. Schhhht, sagte er. Schhht. Ich habe ja noch mehr Streichhölzer, sogar ein Feuerzeug, gleich unten am Hügel. Und du, er packte mich und sagte mir direkt ins Gesicht, du, wenn du nur einen Finger rührst, töte ich das Baby, und wenn du nur einen Fingerrührst, töte ich Mayla . Du wirst sowieso sterben, aber wenn du ein einziges Wort sagst, nur ein Wort da oben im Himmel, dann töte ich sie alle beide.
    * * *
    Ich füllte mir eine Schüssel Cornflakes ein und ein Glas Milch. Die Hälfte von der Milch kippte ich über die Cornflakes, streute Zucker darüber und aß. Ich füllte noch mehr Cornflakes nach und schlürfte die süße Milch vom Boden der Schüssel und trank das Glas leer. Ich tauchte ein Schraubglas in den Hundefutterbeutel im Eingangsflur, füllte Pearls Napf und gab ihr frisches Wasser. Pearl stellte sich neben mich, als ich den Gemüsegarten und die Blumenbeete goss. Dann holte ich mein Fahrrad und fuhr zur Arbeit. Davor sprach ich noch mit meinem Vater. Er war im Schlafzimmer bei meiner Mutter geblieben. Die ganze Nacht hatte er wach neben ihr gesessen. Ich fragte ihn nach der Akte, aber er sagte, dass meine Mutter nichts dazu sagen wollte. Sie wollte erst wissen, ob das Baby in Sicherheit war. Ob Mayla in Sicherheit war.
    Was denkst du, was drinsteht?, fragte ich.
    Etwas, womit wir weitermachen können.
    Und Mayla Wolfskin? Was ist mit der?
    Sie ist in South Dakota zur Schule gegangen, sagte mein Vater. Und sie ist mit LaRose verwandt, der Freundin deiner Mutter. Vielleicht wollte sie deshalb LaRose nicht um sich haben – aus Angst, zusammenzubrechen und etwas zu erzählen.
    Das meinte ich nicht. Was ist mit Mayla Wolfskin, Dad? Lebt sie noch?
    Das ist die Frage.
    Was glaubst du?
    Ich glaube nicht, sagte er leise, den Blick auf den Boden geheftet.
    Ich sah auch zu Boden, sah die cremefarbenen Wirbel auf dem grauen Hintergrund des Linoleums. Und das dunklere Grau und die kleinen schwarzen Punkte, die überraschend plastischwirkten, wenn man einmal darauf achtete. Ich studierte diesen Boden genau, prägte ihn mir in seiner ganzen Unregelmäßigkeit ein.
    Warum hätte er sie töten sollen, Dad?
    Er legte den Kopf schief, schüttelte den Kopf, trat auf mich zu und legte die Arme um mich. So hielt er mich, schweigend. Dann ließ er mich los und ging.
    Bei Whiteys und Sonjas Tanke angekommen, stellte ich mein Fahrrad neben der Tür ab, wo ich es im Blick behalten konnte, und machte mich an die Arbeit. Whitey hatte einen Kurzwellenempfänger, der aus der ganzen Gegend Signale empfing. Der Kasten sprang immer wieder plötzlich an und spuckte

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