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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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noch einmal aus, aber er hielt meine Arme fest und sagte: Oh, Shit. Shit. Joe. Sonja und ich – das ist eine Sache zwischen uns beiden, Joe. Halt du dich da raus. Weißt du, was Bescheißen heißt? Sonja bescheißt mich. Irgendein Bastard hat ihr Diamantohrringe geschenkt …
    Strassohrringe, sagte Sonja.
    Ich erkenne Diamanten, wenn ich sie sehe.
    Er ließ mich los und ging einen Schritt zurück. Versuchte seine Würde zu wahren. Er nahm die Hände hoch.
    Ich rühr sie nicht an, okay? Obwohl irgendein Wichser, dem sie schöne Augen macht, ihr Diamanten schenkt. Ich rühr sie nicht an. Aber sie ist ein mieses Stück. Seine Augen wanderten zu ihr rüber; sie sahen rotgeweint aus. Mies. Irgendein anderer, Joe …
    Aber ich wusste, dass es nicht stimmte. Ich wusste, woher sie die Ohrstecker hatte.
    Die sind von mir, Whitey, sagte ich.
    Von dir? Er wankte. Er hatte im Schlafzimmer aus der Flasche getrunken. Seit wann schenkst du ihr Ohrringe?
    Sie hatte Geburtstag.
    Vor einem Jahr.
    Was kümmert dich das, Arschloch! Ich habe sie an der Tanke bei den Toiletten gefunden. Und du hast recht. Es sind keine Strassklunker. Ich glaube, das sind echte Zirkonia.
    Okay, Joe, sagte er. Klasse Vortrag.
    Er sah Sonja tränenverschleiert an. Stützte sich am Türrahmen ab. Dann wandte er sich stirnrunzelnd wieder an mich. Was kümmert dich das, Arschloch! , murmelte er. So redest du also mit deinem Onkel. Das geht zu weit, Junge. Er streckte die Hand mit der Flasche aus und richtete seinen Mittelfinger auf mich.
    Das. Geht. Zu. Weit.
    Und? Sie ist meine Tante, sagte ich. Also kann ich ihr schenken, was ich will. Arschloch.
    Er exte die Flasche, warf sie über die Schulter, pumpte sich auf und beugte sich über mich. Das reicht jetzt, Kleiner!
    Ein splitterndes Krachen, und er sackte in sich zusammen, die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Sonja schickte ihn mit einem Fußtritt durch die Tür auf den Wohnzimmerboden.Geh außen rum. Pass mit den Scherben auf. Komm hier lang, Joe.
    Dann schloss sie die Tür hinter mir ab.
    Da rein, sagte sie und zeigte auf das Bett. Leg dich hin und schlaf. Ich halte Wache.
    Sie setzte sich in den Schaukelstuhl und legte den abgebrochenen Flaschenhals sorgsam neben sich auf den Couchtisch. Ich schlüpfte zwischen die Laken. Das Kissen roch nach Whiteys herbem Haargel, und ich schob es weg und legte den Kopf auf meinen Arm. Sonja machte das Licht aus, und ich starrte in die lichtlose Luft.
    Vielleicht stirbt er da draußen, sagte ich.
    Nee, tut er nicht. Die war leer. Außerdem weiß ich genau, wie hart ich ihn schlagen muss.
    Bestimmt sagt er das auch von dir.
    Warum hast du das gesagt? Warum hast du gesagt, die wären von dir?
    Weil es stimmt.
    Oh, wegen dem Geld.
    Ich bin doch kein Idiot.
    Sie schwieg. Dann hörte ich sie leise weinen.
    Ich wollte nur ein Mal was Schönes, Joe.
    Und siehst du, was dann passiert?
    Yeah.
    Genau, wie du gesagt hast: Rühr das Geld nicht an. Und wo hast du die Ohrringe hingetan?
    Weggeschmissen.
    Nein, hast du nicht. Das waren Diamanten.
    Aber sie antwortete nicht mehr. Sie schaukelte nur.
    * * *
    Am nächsten Morgen fuhren Sonja und ich früh los. Whitey war nirgends zu sehen.
    Er nüchtert im Wald ein bisschen aus, sagte Sonja. KeineSorge. Der ist jetzt erst mal lammfromm. Aber vielleicht solltest du heute besser bei Clemence übernachten.
    Wir fuhren in den Ort, wieder ohne Musik. Ich sah aus dem Fenster auf die Straßengräben.
    Lass mich hier raus, sagte ich, als wir an der Straße zu Clemence und zu mir vorbeikamen. Ich kündige.
    Oh, nicht doch, Herzchen, sagte sie. Aber sie hielt. Ihr Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz hochgebunden und eine grüne Schleife drumgemacht. Sie trug einen quietschgrünen Trainingsanzug mit weißen Säumen und dazu Sportschuhe. Die Lippen hatte sie sich an dem Tag karminrot geschminkt. Ich muss ihr einen besonders langen, tragischen Blick zugeworfen haben, denn sie sagte noch einmal Nicht doch, Herzchen . Ich dachte so etwas wie: Wenn sie dieses tiefe Rot ihrer Lippen auf mich drücken, auf mich küssen würde, würde es sich in festes, brennendes Blut verwandeln, würde meine Haut versengen und ein lippenförmiges Brandmal hinterlassen. Ich tat mir furchtbar leid. Ich liebte sie noch immer, mehr denn je, obwohl sie mich hintergangen hatte. Ihre blauen Augen hatten einen verschlagenen Glanz.
    Na komm schon, sagte sie. Ich brauch dich doch. Bitte.
    Aber ich stieg aus und ging die Straße hoch.
    Die Hintertür zur Küche stand

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