Das Haus Nucingen (German Edition)
dem das Brautgeschenk Kopfzerbrechen machte, Rastignac nebst Frau von Nucingen zum Frühstück zu laden, um sie in dieser wichtigen Angelegenheit um Rat zu bitten. Er hatte die großartige Idee, auch seinen Vetter d'Aiglemont und Gemahlin sowie Frau von Sérizy zu laden. Die Damen von Welt haben es gern, gelegentlich einmal bei einem Junggesellen vorzusprechen zu frühstücken.« »Ja, auch die großen Mädchen gehen gern einmal hinter die Schule,« sagte Blondet. »Es galt also, Rue de la Planche das kleine Heim der zukünftigen Gatten in Augenschein zu nehmen,« fuhr Bixiou fort. »Die Frauen lieben solche kleinen Besuche, wie die Menschenfresser frisches Fleisch; sie ergötzen sich an dieser jungen Freude, die noch nicht am Genusse welkte. Die Tafel war in dem kleinen Salon gedeckt, der für diese Beerdigung des Junggesellentums geschmückt war wie ein Pferd für einen Prunkzug. Das Frühstück war in einer Auswahl bestellt, die alle die netten kleinen Dinge aufwies, welche die Frauen des Vormittags zu beißen und zu knabbern lieben. ›Und warum ganz allein?‹ fragte Godefroid, als er Rastignac begrüßte. ›Frau von Nucingen hat Kummer, ich werde dir alles erzählen,‹ erwiderte Rastignac, der verdrießlich dreinblickte. ›Habt ihr Streit?‹ rief Godefroid. ›Nein,‹ sagte Rastignac. Als um vier Uhr die Damen ins Bois de Boulogne enteilt waren, blieb Rastignac im Salon sitzen und blickte melancholisch durchs Fenster auf Toby, Joby, Paddy, der stolz vor dem am Tilbury angeschirrten Pferde stand und mit gekreuzten Armen tiefsinnig dreinsah wie Napoleon; er konnte das Pferd nur vermittelst seiner schrillen Stimme im Zaume halten; das Pferd aber fürchtete Joby, Toby. ›Nun, was ist dir, mein Lieber?‹ sagte Godefroid zu Rastignac. ›Du bist verstimmt, unruhig; deine Heiterkeit ist gemacht. Ja, dein Glück ist nur halb, und das nagt dir am Herzen! Es ist auch wirklich traurig, mit dem Weibe, das man liebt, weder staatlich noch kirchlich getraut zu sein.‹ ›Hast du den Mut, mein Junge, anzuhören, was ich dir zu sagen habe, und wirst du verstehen, wie sehr man einem andern zugetan sein muß, um die Indiskretion zu begehen, deren ich mich jetzt schuldig machen will?‹ sagte Rastignac mit einem Tone, der wie ein Peitschenschlag erschreckte. ›Was?‹ sagte Godefroid erbleichend. ›Ich war traurig über deine Freude, und ich habe nicht den Mut, nun ich alle diese Vorbereitungen, dieses blühende Glück sehe, mein Geheimnis zu bewahren.‹ ›So sage schnell, in drei Worten, um was es sich handelt.‹ ›Schwöre mir bei deiner Ehre, daß du stumm sein willst wie das Grab!‹ ›Wie das Grab.‹ ›Daß, selbst wenn ein dir Nahestehender mit dieser Sache zu tun hätte, du sie ihm nicht verraten willst!‹ ›Nicht verraten will.‹ ›Nun also: Nucingen ist heute nacht nach Brüssel abgereist; wenn man nicht liquidieren kann, muß man zusammenpacken. Delphine hat heute morgen sogleich Gütertrennung beantragt. Du kannst dein Vermögen noch retten.‹ ›Wie?‹ fragte Godefroid, der fühlte, wie ihm das Blut in den Adern erstarrte. ›Schreibe ganz einfach dem Baron einen um vierzehn Tage zurückdatierten Brief, in dem du ihm den Auftrag gibst, alle deine Gelder in Aktien anzulegen‹ – und er nannte ihm die Firma Claparon. ›Du hast vierzehn Tage, einen – ja vielleicht drei Monate, um sie über Wert zu verkaufen, sie werden noch steigen.‹ ›Aber d'Aiglemont, der mit uns frühstückte, d'Aiglemont, der bei Nucingen eine Million hat!‹ ›Höre, ich weiß nicht, ob genug dieser Aktien vorhanden sind, um ihn zu decken, und da ich ja nicht sein Freund bin, kann ich das Geheimnis Nucingens nicht preisgeben, du darfst ihm nichts davon sagen. Wenn du ein Wort sagst, bist du mir für die Folgen verantwortlich.‹ Godefroid blieb zehn Minuten vollständig unbeweglich. ›Nimmst du an, ja oder nein?‹ sagte Rastignac unbarmherzig, Godefroid nahm Tinte und Feder und schrieb und unterzeichnete den Brief, den Rastignac ihm diktierte. Mein armer Vetter!‹ rief er aus. ›Jeder sorge für sich,‹ sagte Rastignac, als er Godefroid verließ.
»Hört nun, welchen Anblick die Börse damals bot, als Rastignac in Paris seine Maßnahmen traf. Ich habe einen Freund aus der Provinz, einen dummen Jungen, der mich, als wir zwischen vier und fünf an der Börse vorüberkamen, fragte, weshalb die Leute so in Gruppen beisammenständen, was sie einander wohl zu sagen hätten, und was so ein Auf- und Abwandeln für einen
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