Das Land der Pelze
Hobson wurde unruhig. Die mit Kohlensäure überladene Atmosphäre des Hausinneren mußte nothwendig einmal erneuert werden, denn schon brannten die Lampen in der ungesunden Luft nur trübe. Man gedachte also die Luftpumpen in Betrieb zu setzen. Die Rohre fanden sich aber, wie es ja zu erwarten stand, durch Eis verstopft und functionirten nicht; sie waren auch nur für den Gebrauch in dem Falle bestimmt, daß das Haus nicht unter solchen Unmassen von Schnee vergraben lag. Jetzt war guter Rath theuer. Lieutenant Hobson berieth mit Sergeant Long die Sachlage und beschloß, am 23. November eines der Fenster der Vorderseite, welches in dem Vorraume angebracht war, zu öffnen, da der Sturmwind dort noch am wenigsten anschlug.
Es war das keine so leichte Arbeit. Der Fensterflügel schlug zwar bald nach innen auf, der Laden aber, der von hart gewordenen Eisstücken gehalten wurde, trotzte jeder Anstrengung, so daß er endlich aus den Angeln gehoben werden mußte. Hierauf griff man die Schneeschicht mit Schaufeln und Hacken an. Sie war mindestens zehn Fuß dick, machte also die Aushöhlung einer Art Laufgrabens nöthig, durch welchen dann die freie Luft eindringen konnte.
Jasper Hobson, der Sergeant, einige Soldaten und selbst Mrs. Paulina Barnett wagten sich durch diesen Gang, durch welchen der Sturmwind mit ganz absonderlicher Wuth pfiff, nicht ohne große Mühe hinaus.
Welchen Anblick bot ihnen das Cap Bathurst und die nächst liegende Ebene! Es war jetzt zwar Mittagszeit, doch färbte kaum ein schwaches Dämmerlicht den südlichen Horizont. Die Kälte zeigte sich nicht so heftig, als man es hätte glauben sollen, und las man am Thermometer nur 9° unter dem Gefrierpunkte ab.
Das Schneegestöber setzte sich aber noch immer mit ganz unvergleichbarer Heftigkeit fort, und der Lieutenant, seine Leute und die Reisende wären bestimmt umgeworfen worden, hätte ihnen nicht die Schneelage, in welche sie bis zum halben Körper eingesunken waren, gegen das Ungestüm des Windes den nöthigen Halt verliehen. Zu sprechen vermochten sie nicht; ja bei dem Entgegenschlagen der Flocken, das sie halb blind machte, kaum etwas zu sehen. In weniger als einer halben Stunde wären sie wohl vollkommen überschneit gewesen. Alles rings um sie war weiß; die Umplankung überhäufelt; das Dach des Hauses verschwamm mit seinen Mauern unter einer gleichen Oberfläche, und ohne die bläulichen Rauchsäulen, welche aus den beiden Essen hinauswirbelten, hätte kein Fremder an dieser Stelle das Vorhandensein eines bewohnten Hauses auch nur geahnt.
Unter solchen Umständen war »der Spaziergang« natürlich nur sehr kurz, dennoch hatte sich die Reisende einen schnellen Ueberblick der trostlosen Scene verschafft. Nur halb hatte sie zwar diesen schneegepeitschten Polarhimmel und den arktischen Sturm in seinem ganzen Schrecken sehen können, und dennoch nahm sie bei der Rückkehr in’s Haus eine unauslöschliche Erinnerung daran mit.
Die Luft im Hause war schon in wenigen Augenblicken erneuert gewesen, und die schädlichen Dünste verschwanden unter dem Einflusse der reinen belebenden Atmosphäre. Lieutenant Hobson und seine Begleiter beeilten sich, wieder Schutz zu suchen. Das Fenster wurde wieder geschlossen, doch sorgte man im Interesse der Ventilation für die tägliche Reinigung seiner Oeffnung.
Auf diese Weise verfloß die ganze Woche. Glücklicher Weise hatten Rennthiere und Hunde hinreichendes Futter, so daß es unnöthig war, nach ihnen zu sehen. Acht Tage lang blieb die kleine Gesellschaft eingeschlossen. Für Leute, welche an die frische Luft gewöhnt sind, wie für Soldaten und Jäger, ist das eine sehr lange Zeit. Am Ende verlor auch das Vorlesen seinen Reiz, und das »
Cribbage
« 1 drohte langweilig zu werden. Immer legte man sich mit der heimlichen Hoffnung nieder, am anderen Tage den Sturm austoben zu hören, immer sah man sich getäuscht. Fortwährend lagerte sich der Schnee vor den Scheiben des Fensters ab und heulte der Wind, fortwährend krachte es mit Donnergepolter in den Eisbergen und schlug der Rauch in die Wohnräume zurück, welche unausgesetzt von Husten wiederhallten – kurz der Sturm legte sich nicht nur nicht, sondern schien sich gar nicht wieder legen zu wollen.
Am 28. November endlich zeigte das in dem großen Saale angebrachte Anerold-Barometer eine nahe Veränderung in dem Zustande der Atmosphäre an und stieg ganz bemerklich. Zu derselben Zeit fiel das außerhalb angebrachte Thermometer auch plötzlich auf 20°
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